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Kapitel 1

Joye`s Day

 

Sturm würde über New Hope aufziehen. Es war einer dieser Tage, an denen der Ostwind Sand aus dem Wasteland hineinwehte. Die Frauenstimme aus den Lautsprechern verkündete schwere Regenfälle. Joye zog ihren Lippenstift nach, lächelte kurz und verlies das Badezimmer. Automatisch verstummte die Stimme und das Licht erlosch.

Joye passierte einen langen Glastisch und wäre beinahe mit ihren hochhackigen Absätzen auf Steve getreten, einem dieser kleinen mechanischen Geräte, die permanent über den Boden huschten und Flecken entfernten. Joye legte die Stirn in Falten. Eigentlich hätten seinen Sensoren ihre Ankunft bemerken müssen und einen Sicherheitsabstand zu ihr halten müssen. Das kleine Reinigungsgerät, nicht größer als eine Hand, entfernte sich langsam in Richtung des Glastisches. Sie schüttelte irritiert den Kopf und trat an die Fensterscheibe. Augenblicklich entspiegelte sich das Glas und gab den Blick frei, auf unzählige Wolkenkratzer zwischen denen eine Unzahl von Taxiglidern umherschwirrten.

Ein vertrautes Brummen drang durch das Glas zu ihr. Im nächsten Moment erschien in ihrem Sichtfeld die Kabine eines Taxigliders, dessen Oberfläche in der Morgensonne glänzte. Als er zu dem Fenster kam, vor welchem Joye stand, schob sich langsam ein Schlauch aus dem Fahrzeug, legte sich an den Rahmen. Augenblicklich schob sich die Glaswand beiseite. Joye trat vor und durchschritt den drei Meter langen Tunnel, bis sie das Innere des Taxigliders erreichte. Sie lächelte die Anwesenden an, auch wenn sie niemanden von ihnen kannte. Hinter ihr schloss sich die Tür zischend. Leise konnte Joye hören, wie der künstliche Gang wieder eingezogen wurde und der Glider senkte sich langsam in die Fahrspur, um sich in den Verkehrsfluss einzureihen.

Niemand der Anwesenden sprach. Joye lächelte und schaute aus dem Kabinenfenster. Unter ihr war der Boden nur als entfernter grauer Streifen zu sehen. Unzählige Glider rauschten dahin. Manchmal, wenn eine der Kreuzungen passiert wurde, konnte man sehen, wo New Hope endete und Wasteland begann. Sie kannte die Geschichten über das Land hinter der Mauer nur aus den Schulerzählungen, wie die ersten Siedler sich an diesem Ort niedergelassen hatten und schließlich, allen Gefahren trotzend, New Hope gebaut hatten.

Der Glider hielt vor einem der Wolkenkratzer, in einem der unteren Stockwerke. Wieder fuhr der Ladetunnel aus. Ein Mann erhob sich, nickte den anderen Passagieren lächelnd zu und verschwand im Gebäude. Der Glider setzte sich wieder in Bewegung, gewann an Höhe und drang tiefer in den Central Buisness District ein. Als Joye schließlich den langen Gang betrat, der zu ihrem Büro führe, freute sie sich auf ihre Arbeit. Der metallene Schreibtisch mit seiner glatten, geschmeidigen Oberfläche schaute sie erwartungsvoll an. Als sie sich auf dem bequemen Ledersessel niederließ, erhalte ein leises Klicken. Ein rahmenloser Bildschirm fuhr aus dem Schreibtisch.

„Guten Tag, Joye.“, sagte eine mechanische Männerstimme. „Ich hoffe, du genießt diesen schönen Morgen. Die Temperaturen werden heute nicht über 35 Grad steigen, gegen Abend werden Regen und Sturm erwartet.“

Joye lächelte. „Guten Morgen, Dave. Sie haben es schon über den digitalen Transmitter mitgeteilt. Sag mir bitte bescheid, wenn die Wolken sich nähern. Ich wäre gerne vor dem Regen zu Hause.“

„Gerne, Joye.“

Sie berührte mit dem Zeigefinger die Oberfläche des Bildschirms. Augenblicklich breitete sich die Struktur in alle Richtungen aus und stellte dreidimensionale Icons da.

Da der zeitliche Ablauf des Minersday nun vom Rat abgesegnet war, konnte sie mit der Programmplanung beginnen. Diese Art von Neujahresfest wurde in der gesamten Stadt gefeiert. Zu Ehren der ersten Siedler zogen durch die ganze Stadt Paraden, traten Tanzgruppen und Kapellen auf. Mit geübten Bewegungen verschob sie die Symbole in ihrem Display, durchsuchte Dokumente nach geeigneten Darstellern, die die dritte Straße an jenem Tag mit besonderem Glanz erfüllen sollten. Als sie nach gut drei Stunden fertig war, leuchtete ihr Display für einen Moment kurz grün auf. Dann meldete sich Daves Stimme zu Wort:

„Liebe Joye, deine Arbeitsgruppe geht jetzt in den Gemeinschaftsraum. “

„Danke.“, entgegne Joye knapp und trug die Gruppe „Holy Miners“ für den späten Nachmittag ein. Sie erhob sich aus dem Sessel, verließ ihr geräumiges Büro und und trat auf den Gang, in dem sich gerade der hochgewachsene Cloud seine Schuhe band. Er lächelte.

„Hallo Joye, hattest du einen schönen Arbeitstag?“

„Sicher. Ich hoffe, dir erging es ebenfalls so.“

Cloud wartete bis sie zu ihm aufgeschlossen hatte. „Heute Abend soll es regen geben. Das wird meine Frau freuen. Dann bin ich auf jeden Fall früh zu Hause.“

„Es ist schön, eine Familie zugeteilt zu bekommen.“, entgegnete Joye höflich. „Bei mir ist es noch nicht soweit. Ich werde noch einige Zeit hier für die Programmplanung verantwortlich sein.“

„Es ist schön, eine so wunderbare Mitarbeiterin, wie dich zu haben.“

Die beiden steuerten auf eine Glastür am Ende des Ganges zu, die sich bei ihrem Näherkommen automatisch öffnete. An einem langen Glastisch saßen der dunkelhäutige Ray, mit seinem krausen Haar, die blonde Chip, die alles mit ihren leuchtend grünen Augen aufmerksam musterte und Water, der schlaksige Techniker.

„Schön euch zu sehen.“, sagten Cloud und Joye wie aus einem Mund.

„Ebenso.“, entgegnete Chip.

Als Joye saß, schob sich die Oberfläche des Tisches auseinander. Ein Glas Wasser, ein Teller und eine Schale kamen empor.

„Erst die Vitamine!“, sagte Ray, mit einem leicht vorwurfsvollen Ton. Joye schaute auf, bis sie begriff, dass nicht sie, sondern Cloud gemeint war. Dieser hatte bereits die Gabel in der Hand und wollte den gelben Brei von seinem Teller essen.

„Danke.“, sagte er. „Hätte ich beinahe vergessen.“

„Die Vitamine müssen immer vor dem Essen genommen werden. Ansonsten wirken sie nicht richtig.“, ergänzte Ray. „Und niemand von uns will, dass du krank wirst.“

Joye griff zum Wasserglas, griff in die Schale, nahm die verschiedenfarbigen Tabletten heraus und spülte sie herunter. Kohlenhydrate, Eisen, Mineralien, Vitamine. All das wurde in den Tabletten in einer individuell berechneten Dosis verabreicht. So blieben die Menschen gesund. Das hatte die Ausbilderin ihnen jeden Tag gesagt. Da sie seid Kindheit an die Nährstoffe zu sich nahmen, wurde in New Hope niemand krank. Jedenfalls hatte Joye noch nie von jemandem gehört.

„Findet heute abend im Schwimmbad das Bewegungsprogramm statt?“, erkundigte sich Water.

Cloud schüttelte den Kopf, beugte sich vor, hielt ihnen den LCD in seinem Unterarm hin. „Im Smoothtower findet heute eine Party statt. Unser Team ist eingeladen.“

„Prima.“, nickte Ray. „Wir werden alle kommen. Es sei denn, der Sturm hält solange an, dass wir nicht pünktlich da sind.“

Die Anderen nickten bestätigend. Cloud zuckte mit den Schultern. Für einen Moment blickte sie auf den Screen auf ihrem Unterarm. Joye wusste, dass sie die Technik liebte. Vor einem Jahr hatte sie sich für ein Programm gemeldet, welches an der biometrischen Vernetzung des Organismuses mit dem Zentralrechner forschte. Allerdings hatte sie nie erzählt, ob sie bei dem Programm angenommen worden war oder nicht. Cloud las von dem Screen ab: „Zur besonderen Attraktivität wird heute Abend das alte Siedlerspiel Bowling vorgestellt.“ Mit gerunzelter Stirn schaute er in die Runde, dann las er weiter. „Bowling ist ein Spiel, welches die Siedler erfanden, als sie die Stadt hier aufbauten. Sie haben es mit Steinen gespielt, die sie in der Wüste gefunden haben.“, gab Joye von sich. „Es gibt in der dritten Straße eine Gruppe, die am Minersday, eine Vorführung zu dem Thema macht.“

„Hat jemand Brick gesehen?“, erkundigte sich Ray. „Wir sollten ihm bescheid sagen, dass wir nach dem Regen den Smoothtower besuchen wollen.“

„Brick ist nicht mehr in unserer Abteilung.“, entgegnete Cloud. „Sie haben ihn wohl versetzt. An seinem Schreibtisch sitzt jetzt Leave.“

Joye schaute verwundert. Jetzt da das Gespräch auf Brick kam, fiel ihr auf, dass sie ihn, schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hatte.

„Ach, Leave, mit dem habe ich einen Kaffee getrunken. Macht einen sehr anständigen Eindruck.“, sagte Ray und tank den letzten Schluck Wasser in seinem Glas. „Vielleicht soll man ihn fragen.“

Die Gruppe erhob sich und verlies den Raum. Joye arbeitete die folgenden Stunden an der Planung der Parade, bis Dave sich mit einem Aufblitzen des kleinen grünen Lämpchens ankündigte.

„Joye, die Regenfront wird in 30 Minuten New Hope erreichen.“

„Danke. Dann mache ich für heute Schluss.“

„Gerne doch, Joye.“, antwortete Dave. „Wir sehen uns morgen wieder. Ich wünsche dir einen angenehmen Abend.“

„Danke, Dave. Bis Morgen.“

Mit diesen Worten erhob sie sich und das Display versank wieder im Schreibtisch. Joye brauchte länger als gewöhnlich für die Heimreise. Viele der hellblauen Transporter tummelten sich zwischen den Hochhäusern, da die Menschen vor dem Regen zu Hause sein wollten. Joye trat durch die sich öffnende Glasscheibe ein. Sie zog sich die hochhackigen Schuhe von den Füßen, stellte sie ordentlich in die Ecke. Dann rief sie in Richtung der Küchenzeile: „Kakao.“

Augenblicklich ertönte ein gleichmäßiges Brummen aus dem Automaten. Dann prasselten die ersten Regentropfen gegen die verdunkelte Scheibe. Joye forderte die Fenster auf, die Verdunkelung zurückzunehmen. Die Luftfahrtwege leerten sich. Drohen und Glider verschwanden in den Hochhäusern. Stille legte sich über die Straßen von New Hope. Reglos erhoben sich die beleuchteten Wolkenkratzer vor dem verdunkelten Horizont. Joye beobachtete einen Moment, wie Regentropen die Scheiben herunterrannen und sandige Kristalle auf der Scheibe hinterließen. Sie wendete sich ab, nahm ihren Kakao und nahm auf dem Sofa platz. Mit halb geschlossenen Augen registrierte sie, wie er kleine Roboter über den Boden fuhr und den Schmutz im Eingangsbereich entfernte. Mittlerweile trommelte der Regen mit unerbittlicher Kraft gegen die Scheibe. Der rote Wüstensand des Wastelandes verteilte sich für kurze Momente über dem Glas und wurde von den dicken Tropfen erneut verteilt.

Ihre Augen schlossen sich. Fetzen des Tages flogen an ihr vorbei.

„Joye!“, drang eine leise Stimme in ihr Ohr.

Langsam öffnete sie die Augen. Für einen Moment glaubte sie, noch bei der Arbeit zu sein. Als sie sich aufgerichtete, sah sie sich um. Woher kam diese Stimme? Ohne weiter darüber nachzudenken, erhob sie sich, bestellte einen weiteren Kakao. Immer noch schlugen die dicken Tropfen gegen das Fenster. Heute fuhren keine Taxis mehr. Die Mitternachtsparty von der Cloud gesprochen hatte, würde nicht stattfinden können. Joye öffnete den Wandschrank, entkleidete sich und suchte einen flauschigen Schlafanzug aus den maschinell gesteuerten Haltestangen heraus. Der Stoff lag weich und sanft auf ihrer Haut. Sie holte ihren Kakao und legte sich schließlich ins Bett. Einen kurzen Moment später schlief sie bereits tief und fest.

 

II.

Noone stand auf dem Dach eines Wolkenkratzers. Der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Wütend schrie er dem Himmel einige Worte entgegen. Aber das Tosen des Unwetters verschluckte jegliche Geräusche. Er begann zu bibbern, trat einige Schritte von der Kante weg, steuerte auf den Glider zu, der einige Meter entfernt stand. Würde dieses verdammte Ding überhaupt noch fliegen, wenn sich der Sand in dem Antrieb verteilte? Dann würde er hier festsitzen.

Noone drückte einen Notöffner unterhalb der Fahrerkabine. Zischend erhob sich das Plexiglas aus den Angeln, stockte und blieb unvermittelt in seiner halbgeöffneten Position hängen. Noone biss sich wütend auf die Zähne, beschloss dann aber, sich durch den Spalt zu drängen, um ins Innere des Gliders zu gelangen. Mit aller Kraft klammerte er sich ans feuchte Metall und drückte seinen Körper nach oben, um sich fallen zu lassen. Unterhalb der Kontrollkonsole drückte er einen Schalter. Quietschend und knirschend schloss sich das Verdeck des Einpersonengliders.

Missmutig beobachtete Noone, wie der Regen auf die Scheibe schlug. Roter Sand breitete sich auf der Cockpitscheibe aus. Da er nicht wusste, was er tun sollte, lehnte er sich zurück und entspannte sich. Er konnte nur abwarten, bis der Regen nachließ oder besser völlig aufhörte.

Wie lange würde es dauern, bis sie bemerkten, dass der Inspektionsglider vom Typ Isolde nicht mehr an seinem vorgesehenen Platz stand? Kartografierte das System nicht die jeweiligen Positionen der betriebenen Fahrzeuge? Noone konnte nur hoffen, dass es den Instanzen nicht allzu schnell auffiel. Es würde noch einige Zeit brauchen, bis er, soweit war, Joye zu holen. Alles in allem würde es schwer werden. Viel schwerer, als er es sich vorgestellt hatte. Am Horizont zogen weitere dunkle Wolken auf. Der Wind verfing sich an den hohen Gebäuden. Von den Dächern aus war zusehen, wie sie schwankten. Aber das würde nachlassen. Noone wusste das. Er hatte zulange in diesen Gebäuden gelebt, als dass ihn das erschrecken könnte. Vermutlich war es das Beste, wenn er sich versuchte auszuruhen. Die letzten Tage steckten ihm in den Knochen. Die Wunde an seinem Bein schmerzte immer noch, schien aber gut zu verheilen. Auch die Wunde an seiner Schulter schien nicht ernsthaft zu sein. Aber wenn er es sich genau überlegte, kannte er sich mit solchen Dingen zu wenig aus, um das beurteilen zu können. Verlegen zog er seine Hose hoch, begutachtete die Wunde. Dicke Kruste bildete sich auf an der Stelle. Schmerzen tat es auch weniger. Seufzend schon er den Stoff wieder nach unten. Langsam machte ihn das Trommeln des Regens wahnsinnig. Nervös tippten seine Finger auf dem Oberschenkel Hin und Her Hin und Her. Konnte dieser verdammte Regen nicht aufhören? Unsicher suchte er den Horizont nach einem Lichtstrahl ab. Aber so weit sein Auge reichte, konnte er nur dunkle Wolken über das Wasteland ziehen sehen. Ihn durchlief ein Schauer. Was wäre, wenn der Glider hinterher nicht mehr funktionieren würde? Würde er verhungern? Seine Hände wurden feucht. Würde man ihn hier oben finden? Die Brust Noones schien sich zuzuziehen. Verzweifelt riss er an dem Saum seines Oberteils. Was wäre dann? Würde man ihn bestrafen? Wegsperren? Wegbringen? Oder würde das Leben für ihn weitergehen wie früher? Mit einem panischen Ruck zog er an dem Verdeck des Gliders. Erfolglos. Hecktisch trat sein rechter Fuß auf den Schalter unterhalb der Steuerkonsole. Quietschend und widerwillig zog sich das Verdeck nach vorn. Dicke Regentropfen fielen auf Noones Stirn, hinterließen sandige Spuren. Noone reckte sich nach oben und atmete. So tief, wie seine Brust es zuließ, atmete er.

Sein Herzschlag beruhigte sich langsam und nach einigen Minuten ließ Noone das Verdeck wieder schließen. Eine Pfütze aus Wasser und Sand hatte sich zu seinen Füßen gebildet. Er lehnte sich zurück, sah wie die Scheibe beschlug und genoss die kalten Stellen, an denen das Wasser durch die Bekleidung gedrungen war. Schließlich fiel sein Kopf zur Seite und Noone schlief ein.

 

III.

 

Die Nachrichtensprecherin versprach, dass es heute ein guter Tag werden würde. Joye zog ihre Liedschatten nach, verteilte sorgfältig den Lippenstift. Sie musste heute die Koordination mit den anderen Straßenzügen beginnen, damit die gesamte Organisation nicht ins Chaos ausuferte. Aber das Team arbeite gut, wie immer und so würde es auch dieses Mal keine Probleme geben. Sie wies die Getränkemaschine an, ihr einen Kaffee zu machen. Als sie an dem Getränk nippte, verzog sie das Gesicht. Es schmeckte süßer als gewöhnlich.

„Ich hätte gerne einen Kaffee ohne Zucker.“, sagte sie freundlich und schüttete den Inhalt ihres Getränks in den Ausguss. Die Maschine gab erneut ein Brummen von sich. Joye nahm erneut einen Schluck und verzog das Gesicht und schüttete den Kaffee weg. Wortlos wendete sie sich dem Tastenfeld zwei Meter weiter zu, aktivierte es durch einen Knopf.

„Zentrale Aufnahmestelle des Gebäudes QF567a. Was kann ich für sie tun?“, fragte eine freundliche Stimme aus dem Lautsprecher oberhalb der Tastatur.

„Mit meiner Kaffeemaschine ist etwas nicht in Ordnung.“, gab Joye zur Antwort.

„In Ordnung. Wir schicken jemanden.“

„Danke.“

Die Verbindung riss mit einem Knacken ab. Joye setzte sich, zog ihre hochhakigen Schuhe an und wand sich zum Fenster. Die Scheiben entspiegelten sich und gaben einen wolkenlosen Himmel frei, in dem die Morgensonne orange leuchtete. Bis der Glider den Tunnel zu ihrem Apartment ausfuhr, genoss sie den schönen Ausblick. Lächelnd betrat sie den Glider, ließ sich in den Sessel sinken und richtete den Blick aus dem Fenster. Die Drohnen hatten nach dem Regen jegliche Spuren des roten Sandes entfernt.

„Joye?“

Sie drehte sich um, schaute zwischen den Sesseln hindurch, wer sie gerufen hatte. Aber niemand der Fahrgäste schaute in ihre Richtung.

„Ja?“, entgegnete sie leise. Aber niemand reagierte. Sie schüttelte den Kopf, richtete ihren Blick wieder hinaus ins morgendliche Sonnenlicht. Als sie in ihrem Büro ankam, setzte sie sich auf ihren Sessel, wartete bis das Display sich aufgebaut hatte und begann mit ihrer Arbeit. Sie hatte einen Großteil der Dokumente der anderen Straßen durchgearbeitet, als sie ein Stechen auf ihren Schläfen verspürte. Joye keuchte. Was war das? Stimmte etwas mit ihr nicht? Sie versuchte sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Sah Aufnahmen der Gruppen, die in den angrenzenden Straßen auftraten und begutachtete die Parolen, die zum Minersday aufgehängt wurden. Das grüne Lämpchen leuchtete auf.

„Joye, es ist Zeit, den Lunch mit den anderen einzunehmen.“

„Danke, Dave.“

Joye war froh, über die Pause. Als sie sich erhob, wurde ihr kurz Schwarz vor Augen. Es brauchte einen Moment, bis sie sich wieder gefangen hatte. Dann steuerte sie den Gang, vorbei an den Büros, zum Gemeinschaftsraum. „Werde ich gerade krank?“, durchfuhr es sie. „Wirken die Vitamine nicht mehr?“

Schneller als gewöhnlich steuerte sie auf die Glastür zu. Als sie den Raum betrat, fühlte sie sich seltsam erschöpft. Müde ließ sie sich neben Ray nieder.

„Hallo Joye.“

„Hallo.“, sagte sie und lächelte.

Vor Joye erhoben sich das Essen und die Schale mit Tabletten. Als sie nach dem Glas Wasser griff, schwabbte ein Schluck über den Rand. Ihre Hände tasteten nach den Tabletten.. Cloud fragte mit seiner dunklen Stimme, ob alle den Regen gestern gut überstanden hätten. Ray amüsierte sich darüber, dass Bright, ein kleiner, schwarzhaariger Mann im Gebäude hatte übernachten müssen, da er zu lange an den Matritzen der Hochhäuser gearbeitet hatte. Paint, die Frau, die für die Verteilung der Büros im gesamten Gebäude und die Wartung des Inventars zuständig war, erzählte dass sie sich ein neues Kleid für den Festtag bestellt habe. Aus einem Stoff, den die ersten Siedlerfrauen sehr zu schätzen gewusst hatten. Seide wurde er damals genannt. Aber natürlich wurde es jetzt synthetisch hergestellt. Chip erzählte, von seinen täglichen Trainingsstunden im Fitnissraum. Joye versuchte zu essen. Sie fühlte sich weit, weit weg von den Anderen. Als sei sie nicht anwesend. Angst kroch in ihr empor. Fühlte es sich so an, wenn man krank wurde? Wenn die Vitamine und Mineralien nicht mehr wirkten. Schweiß trat auf ihre Stirn. Einen Moment lang spürte sie es sauer aus dem Magen aufsteigen. Dann beruhigte sie sich wieder. Die Hitze entfernte sich wieder, der Geschmack in ihrem Mond wurde normal.

Cloud berichtete gut gelaunt, wie er sich die Show der Sanddancer im Display angeschaut hatte. In ihrer Aufführung ging es um den absoluten Willen der ersten Siedler, sich gegen die Nöte des Lebens durchzusetzen. Dabei hatten sie sich gut eine Tonne Wüstensand bringen lassen, der auf der Bühne als Kulisse diente. Ray nickte bestätigend und meinte, sie würde den Auftritt der Sanddancers auf keinen Fall verpassen wollen. Cloud warf ein, dass seine Ausbilderin ihm erzählt habe, dass es dort im Wasteland auch riesige Tiere gegeben hatte, gegen die die Urväter von New Hope gekämpften. Unsicher blicke Joye über den Tisch. Niemand hatte etwas gemerkt. Sie stellte erleichtert fest, dass es ihr wieder besser ging. Die Mittagsvitamine wirkten. Sie brauchte sich also keine Sorgen machen, dass sie krank wurde.

Als Paint erzählte, dass ihr Reinigungsroboter heute Morgen dampfend zum Stillstand gekommen war, berichtete Joye von ihrer Getränkemaschine. Alle lachten. Auch Joye lachte. Cloud schaute Gedanken verloren auf das Display in ihrem Unterarm. Er wirkte teilnahmslos, auch wenn sie lächelte.

„Ja, die Maschinen.“, sagte Ray. „Sie geben doch tatsächlich auch mal den Geist auf.“

Wieder lachten alle.

Schließlich erhoben sie sich und kehrten zurück in ihre Büros. In den nächsten zwei Stunden arbeitete Joye an Tabellen der Parade und ging dann in eines der Großraumbüros am anderen Ende des Gebäudes, wo das Team arbeitete, die die Planung für die siebente Straße innehatte. Die siebente Straße in New Hope, war die breiteste. In ihr fuhren damals die schweren Fahrzeuge und verteilten all die Nahrungsmittel, die die ersten Stadtbewohner von New Hope benötigten. Darum verliefen durch sie die größten Paraden und jeder musste sich mit diesem Team absprechen. Zwei Stunde später kehrte sie gut gelaunt in ihr Büro zurück. Es war einfacher gewesen, als im letzten Jahr. Joye hatte ihr Programm sehr viel gründlicher abgestimmt und so waren sie das Programm eigentlich nur durchgegangen. Es würde sicher eines der schönsten Minersfeste werden, die die Stadt je gesehen hatte. Sie beschloss Feierabend zu machen und steuerte auf die Hauptschleuse der Etage zu. Eines der silbernen Fahrzeuge hielt, fuhr den Tunnel aus und Joye betrat fröhlich das Innere des Gliders. Als sie schließlich zu Hause ankam, fühlte sie sich frisch und ausgeruht. Was konnte sie heute Abend machen? Vielleicht gab es eine der Vorführungen in einem der Clubs unten im Haus?

Joye streifte die hochhackigen Schuhe ab und stellte fest, dass eine kleine Lampe neben dem Display an der Küchenzeile blinke. Sie betätigte wieder die Taste.

„Ihre Getränkemaschine wurde ausgetauscht. Sie müsste jetzt wieder einwandfrei funktionieren.“

Joye bedankte sich und steuerte dann auf das Bad zu.

„Beethovens Fünfte.“, wies sie an. Augenblicklich erschallten die alten Klänge aus den Membranen in der Decke. Joye entkleidete sich und stieg unter die Dusche.

 

IV.

Die Sonne stand bereits über dem Horizont, als Noone schweißgebadet erwachte. Die Temperatur in der kleinen Kapsel des Gliders war stark angestiegen. Gierig griff er hinter den Sitz und förderte einen Kanister hervor aus dem er eilig trank. Er drückte den Knopf und quietschend schob sich das Verdeck auf. Bei der Hälfte blieb es stehen. Verdammter Sand!

Einigermaßen erholt, drückte sich Noone aus dem Cockpit. Auf dem Flachdach des Wolkenkratzers zeigten sich noch einige Pfützen, aber vor allen Dingen Sand. Verdammter, roter Sand! Zwar hatte sich auch Sand im Triebwerk abgesetzt, aber soweit Noone es beurteilen konnte, würde das beschissene Ding der Baureihe Isolde wohl noch starten können. Mit den Händen schaufelte er soviel aus der kleinen Heckturbine, wie er nur konnte, zwängte sich wieder durch die Öffnung des Gliders und betätigte die Konsole. Mit einer Abfolge aus drei Tönen erleuchtete die Schaltfläche.

„Hallo. Hier spricht ihr Instandsetzungsglider Isolde 437dc.“, ertönte es aus zwei kleinen Lautsprechern über seinem Kopf. „Ich führe jetzt einen Check der elektronischen Geräte durch. Dieses kann einige Minuten dauern. Sollte ihnen dies zu lange dauern, können sie eine Wiederholung der ersten Präsidentenfeier sehen oder in einer Liste von ausgewählten 400.000 Musikstücken eines auswählen. Wenn Sie Hunger oder Durst verspüren, können sie zwischen verschiedenen Sorten wählen, die sie ebenfalls über die Steuerkonsole auswählen können.“

Noone schüttelte grimmig den Kopf. Sicher würde er sowohl auf das eine, als auch das andere verzichten können. Hauptsache, der Sand hatte nicht die Instrumente zerstört. Vor seinen Augen leuchte eine Lampe rot auf. Als sie schließlich auf Grün umsprang, atmete Noone erleichtert aus.

„Wir wären jetzt bereit.“, informierte Isolde 437dc. „Möchten Sie selber fliegen oder ein Fahrziel nennen, welches ich ansteuern soll?“

„Fliege wieder zum Wartungsschacht des Towers QF567a.“, wies Noone an.

Mit einem leisen Brummen erhob sich das Fahrzeug und steuerte auf die Kante des Gebäudes zu, drehte sich um 90 Grad und senkte sich langsam in die Tiefe. Noone versuchte abzuschätzen, auf welcher Etage der Versorgungsschacht lag. Als der Glider zum Stehen und sich mit einer der unzähligen Fensterscheiben verband, mochte er gut und gerne 20 Stockwerke abwärts geglitten sein. Seufzend erhob er sich, klappte den Sitz zurück und griff sich einen der größeren Kanister mit klarer Flüssigkeit. Ächzend steuerte er durch den Tunnel, bis er das Innere des Towers erreichte. Keuchend ließ er den Kanister zu Boden sinken.

„Licht an!“

Leutstoffröhren flackerten auf und gaben einen Gang frei, der sich weit ins Innere des Gebäudes zog. Noone griff wieder nach dem Kanister und schleppte sich voran, bis er an der Stelle war, für die zwei Tage gebraucht hatte, um sie zu finden. Ein dummer Zufall hatte ihm geholfen. Einer der Müllschächte wies gestern eine Fehlfunktion auf. Seine Prozessoreinheit schien beschädigt zu sein und sendete ein Signal an die Zentralkonsole des Gebäudes. Dieses Störungssignal hatte ein kleines, rotes Lämpchen an einem Bildschirm ausgelöst, welcher Noone, seit zwei Tagen nicht aufgefallen war. Der Bildschirm war ein Stück aus der Wand geglitten, als Noone dessen Oberfläche berührt hatte. Hier waren alle Wohneinheiten mit Namen, Nummer, Foto verzeichnet. Es dauerte sicher eine Stunde, bis er sich aus der Masse der Datensätze den Joyes herausfinden konnte. Um zu testen, ob er wirklich die Geräte steuern konnte, gab er an die Reinigungseinheit in Joyes Wohnung den Befehl, den Entfernungssensor auszuschalten. Jetzt würde das Gerät ziellos durch die Wohnung steuern. Der Bildschirm hatte angezeigt, dass Joye sich die Zähne putzte. Zudem verbrauchten die Lautsprechermembranen elektrische Energie. Auf der rechten Seite des Bildschirms liefen Zahlfolgen ab, die Noone nicht zuordnen konnte. Vermutlich ein Code, der irgendeinen bestimmten Wert darstellte. Das Muster der Zahlenabfolge ließ sich nicht zuordnen. Auf dem Display zeigte sich, wie Joye die Verdunkelung der Scheiben auflöste. Dann würde bald der Taxiglider kommen, der sie in den Tower im CSD brachte. Noone beobachtete einen Moment den Energiezähler auf dem Display und war sich sicher, dass der letzte kleine Anzeiger, das Fenster gewesen war, welches sich wieder geschlossen hatte. Dann hatte für Noone die eigentliche Arbeit begonnen: Er hatte den Versorgungsschacht für Joyes Wohnung gesucht. Musste unzählige Male zurück zum Display, um die Beschreibung zu studieren. Als er endlich vor dem angegebenen Metallschild mit der Nummer 00179cf3k stand, konnte er keinen Griff zum Öffnen finden. Er biss sich auf die Lippen. Schließlich sagte er: „Versorgungseinheit 00179cf3k öffnen.“

Zischend drückte sich die Platte aus der Wand. Unzählige Schläuche verbanden Kanister mit anderen Kanistern. Hier wurden also die synthetischen Lebensmittel hergestellt. Sein erster Gedanke war, das gesamte Pulver einfach vom Dach des Gebäudes zu verstreuen. Aber das wäre zu auffällig. Wenn die Behälter leer wären, würden sie einfach durch andere Schläuche wieder aufgefüllt. Er musste sich etwas überlegen. Bis er die Lösung für sein Problem gefunden hatte, vergingen weitere Stunden. Die Lösung? Na ja ... immerhin hatte er einen Plan, was schon einmal viel Wert zu sein schien. Denn dieser Plan gab ihm Hoffnung.

„Versorgungseinheit 00179cf3k öffnen.“

Mit einem Klick sprang der Kasten am hinteren Ende auf. Noone schleppte seinen Kanister darauf zu. Ohne zu zögern, kippte er Flüssigkeit über die Pulver. Die unterschiedlich gefärbten Pulver schäumten kurz auf. Noone beobachtete, dass sie verklumpten, und lächelte zufrieden. Dann riss er einen Streifen auf dem Stoff seines Beines und stopfte ihn in den Schlauch, den er für die Zuleitung hielt. Vorsichtig hievte er den Kanister in die Box, ließ den Ablauf zur Wohnung darin ein und verschloss die Versorgungsbox. Als er sich wieder auf den Rückweg zum Glider machte, begann sein Bein wieder zu bluten. Humpelnd durchschritt er den Tunnel und ließ sich auf dem Fahrersitz fallen.

„Welches Ziel soll ich ansteuern?“, fragte Isolde in freundlichem Ton.

 

 

V.

 

Joye zitterte, nachdem sie erwachte. Schweiß durchtränkte ihr Laken. Schemen der Erinnerung huschten an ihrem geistigen Auge vorbei. Wurde sie krank? Das durfte nicht sein! Sicher war es nur eine kurze Phase, die vorbeiging. Sie musste sich zusammenreißen. Niemand durfte das mitbekommen. Sie stand auf, nahm eine Dusche. Ihr ging es besser. Deutlich besser. Vermutlich würde dieses ein Tag wie jeder andere werden und dieses Fremdartige in ihrem Leben würde verschwinden. Musste verschwinden!

Sie wies den Getränkeautomat an, ihr einen doppelten Kaffee zu machen. Sie föhnte sich und griff dann nach der Tasse. Er schmeckte immer noch süß. Sehr süß. Sie war geneigt das Getränk wegzuschütten, zwang sich dann aber es runterzukippen. Es musste alles normal sein, ganz normal. Und dieser Kaffee war ebenso normal. Vermutlich lag es an ihren Geschmacksnerven oder das Pulver war von minderer Qualität. Was solls? Sie trat an die Scheibe und konnte ein leichtes Frösteln nicht unterdrücken, als sie über die Skyline der Stadt sah. Der Eindruck etwas könnte falsch sein, ergriff sie. Vor ihrem Fenster senkte sich ein Glider. Gleichmäßig fuhr der Tunnel aus. Mit einem leisen Zischlaut öffnete sich die Tür. Schweiß trat ihr auf die Stirn. Etwas stimmte nicht. Sie durfte sich nichts anmerken lassen. Auf ihren hochhackigen Schuhen ging sie die Schritte über den Tunnel ins Innere des Glider. Schnaufend ließ sie sich zwischen anderen Fahrgästen auf den Sessel fallen.

In der Firma steuerte sie als erstes zum Getränkeautomaten, bestellte sich die doppelte Menge Kaffee. Als sie eine halbe Stunde später vor ihrem Display saß, ging es ihr bedeutend besser. Der Anfang des Tages spielte mittlerweile keine Rolle mehr. Ihr ging es gut, bis zu Augenblick da Dave sich zu Wort meldete und sie über die Mittagspause informierte. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrem Inneren breit. Nur Chip und Ray saßen am Tisch.

„Ich werde am Minerstag eine riesige Federboa tragen und dazu eine goldenes Kunsthaar. Die Sonne soll sich in meinem Haupte spiegeln.“, sagte Ray in einem fröhlich Ton.

Chip lachte. „Dann wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als mir die gestreckte Perücke anzuziehen. Mit ihrem tiefen Blau wird sie die Nacht symbolisieren.“

Beide lachten. Vor Joye öffnete sich der Tisch. Ihre Tabletten, ihr Essen, ihr Wasser schob sich an die Oberfläche. Für einen kurzen Moment spürte sie einen Unwillen, die Vitamine zu nehmen. Aber man musste die Tabletten nehmen. Ohne sie würde man krank werden. Ray und Chip redeten unentwegt, schienen sie aber nicht weiter zu beachten. Wie am heutigen Morgen spürte sie wieder den Druck auf ihren Schultern. Als würde sie in den Sessel gedrückt werden, weil ein Gewicht auf ihr lag. Im Gegensatz zu den Stunden der Arbeit, wurden die Bewegungen wieder anstrengender. Sie war noch nie um die Mittagszeit müde geworden. Was stimmte nicht mit ihr? Versagten die Vitamine? Sie schob ihren sanften Widerwillen beiseite und schluckte den im Gläschen befindlichen Inhalt.

Als das gemeinsame Essen vorbei war, trottete sie durch den Gang in ihr Büro. Das Display verfloss vor ihr, als sie in ihren Sessel zurückkehrte. Langsam kehrte die Frische in ihren Körper zurück. Der kurze Anfall von Schwäche während des Essens verflog. Ray und Chip hatten zum Glück keine Fragen gestellt. Joye begann mit der Planung der Dokumentation für den Minersday. Sie tippte Anweisungen, erstellte Pläne für die Drohnen, die dann zu gegebener Zeit filmen würden und die Informationen in die große Datenbank einspeisen würden. Als sie damit am frühen Abend fertig war, verlies sie das Büro, steuerte auf die Glasscheibe zu, vor der ein Glider wartete.

„Hey Joye!“, rief eine fröhliche Stimme.

Frame bog aus einem der Nebengänge ab und gesellte sich gut gelaunt neben sie.

„Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?“, lachte er. „Wollen wir uns heute abend treffen? Im Snakebeat spielt heute eine Band.“

Joye lächelte zu dem braun gebrannten Mann mit seinem strohblonden Haar auf. „Gerne. Wann gehts los?“

„Wenn die Sonne untergegangen ist. Also beeil dich! Ich muss noch einiges bis zum Minersday erledigen.“, erwiderte Frame, hob die Hand zum Gruß und verschwand in einem der anderen Gänge.

Joye steuerte fröhlich auf den Glider zu. Heute Abend würde sie Freunde treffen und einen schönen, gewöhnlichen Abend haben. Der Glider verlies das CBD und steuerte auf die Wohneinheiten zu. Der Blick aus dem Fenster bot einen guten Ausblick auf die riesigen, gleichförmigen Gebäude, in denen Millionen von Menschen wohnten. Der Bereich, den der Transporter passierte, war der Bezirk der Menschen, die für die Organisation der Stadt zuständig waren. Daran grenzte der Bezirk der Fabrikarbeiter, die sich um die Herstellung der Nahrungsmittel kümmerten. Joye war noch nie in dem Viertel gewesen. Warum auch? Sie kannte dort niemanden und ihre Arbeitskollegen gingen auch niemals dorthin. Der Glider stoppte vor ihrer Wohneinheit. Als die Fenster sich wieder verdunkelt hatten, zog sie ihr Kleid über die Schultern. Neben den hochhackigen Schuhen lag es achtlos auf dem Boden. Sie wies die Getränkeeinheit an, ihr starken Kaffee zu machen, während sie duschte.

Als Joye eine Stunde später bereit war, in das Taxi zu steigen, welche sie zu ihrer Verabredung bringen würde, fühlte sie sich gut. Frisch und ausgeruht. Heute Abend würde sie tanzen, mit ihren Freunden lachen und sich bemühen nicht zu spät ins Bett zu kommen. Als sie das Sneakbeat betrat fand sie sich in der vertrauten Atmosphäre eines Saloons wieder, die das grobe Holz der ersten Bauten von New Hope nachempfanden. Aus den Lautsprechern kam leise Musik. Die Organisatoren hatten darauf geachtet, dass im Sneakbeat kein modernes Ambiente zu finden war. Selbst die Gläser waren schwer. Als Untersetzer dienten raue Stoffe, von denen es hieß, dass sie die Haut von Schlangen nachempfanden. Zwar hatte ihr jemand bei einem der Besuche gesagt, dass es echte Schlangenhaut sei, aber Joye hatte Dave gebeten, dieses für sie zu recherchieren. Ihr Computer hatte schließlich den Produktionsweg in den Akten gefunden und ihr mitgeteilt, dass sie in einer Fabrik am Rande von New Hope hergestellt wurden.

Joye blickte sich um. Frame war nirgends zu sehen. Auch sonst kannte sie niemanden an den Tischen. Überall bewegten sich Menschen durch den Raum. Sie lachten und tranken. Joye trat neben den Tresen, wo noch ein hölzerner Hocker unbesetzt war. Der Mann, der ihr aufmunternd zunickte, um ihre Bestellung entgegen zu nehmen, trug einen schwarzen Schlapphut und eine braune Weste über seinem weißen Hemd.

„Einen Desertsnake, bitte.“, übertönte Joye die Musik. Der Barmann nickte und verschwand wieder in den hinteren Teil des Tresens. Joye schaute sich um, konnte aber Frame nirgends sehen. Schweiß trat ihr auf die Stirn, als sie ihren Blick erneut durch die Menschenmenge streifen ließ. Es war so heiß hier drin! Und so eng! Und niemand schien es zu stören. Für einen Moment drückte es ihr die Kehle zu. Am Liebsten wäre sie aufgesprungen und auf die Straße gelaufen, an die frische Luft oder am besten nach Hause. Der Barkeeper kam zurück, stellte den Cocktail vor ihr auf den Tresen. Joye zog aus ihrer Handtasche eine Karte, die der Barkeeper über ein kleines Gerät zog, welches er am Gürtel zog. Sie nahm einen Schluck und drehte sich wieder zur Tanzfläche um. Der Druck in ihrem Kopf nahm zu. Sie schloss die Augen. Sie musste hier weg! Sie gehörte hier nicht her. Sie ließ den Cocktail unberührt stehen und drängelte sich zum Ausgang. Als Joye in ihrer Wohneinheit ankam, fiel sie auf ihr Sofa, zog die Schuhe aus und starrte ins Dunkel ihrer Wohnung.

 

VI.

Noone saß in einem Hinterhof am Rande der Stadt. Unweit verlief die Mauer, die New Hope vor dem Wasteland schützte. Er kratzte sich durch die Haare, die auf seinen Wangen wuchsen. Dabei fragte er sich, ob es ein Zeichen von Krankheit war, Haare im Gesicht zu haben. Aber es tat weder weh, noch war es irgendwie unangenehm. Sein Blick wanderte zur Mauer, die sowohl von Scheinwerfern, als auch vom Mond beschienen wurde. Noone glaubte mittlerweile, dass sie die Stadt nicht nur vor Sandwehen schützte, sondern auch dazu diente, dass die Bewohner der Stadt nicht sahen, was hinter ihr lag. Er nahm einen Schluck Wasser aus einem Kanister, die er neben seinen Glider gestellt hatte und blickte sich um. Durch das riesige Fabriktor konnten sicher zwanzig Glider gleichzeitig fliegen. Ihm kam der Gedanke, dass die Öffnung nicht immer Glidern gedient hatte. Vielleicht großere Fahrzeuge, die noch auf der Erde rollten?

Aber diese Stadt war von den Siedlern gebaut worden und sie hatten die Glider entwickelt, um ihre Bewohner zu versorgen ... Er kramte in seinen Erinnerungen. Hatte die Ausbilderin nicht erzählt, dass es zum Anfang der Besiedlungszeit die großen Fahrzeuge auch in New Hope gegeben hatte? Er schob den Gedanken beiseite, drehte sich wieder seinem Rastplatz zu. Bei jeder Bewegung schmerzte sein Bein. Aber Noone wollte darüber nicht nachdenken. Um sein Bein konnte er sich kümmern, wenn er sein Plan funktionierte. Wenn alles so verlief, wie er es sich gedacht hatte. Aber was wäre, wenn es nicht funktionierte? Wenn alles, was er sich ausgedacht hatte, fehlschlug und alles umsonst gewesen wäre? Ihm lief es kalt den Rücken herab. Was sollte er dann tun? Einfach zurückgehen? Die Sache auf sich beruhen lassen? Nein, das konnte er auf keinen Fall. Er würde sich etwas anderes ausdenken müssen. Noone aß noch etwas von dem Brot, welches er in der Tasche hatte und kaute gedankenverloren darauf herum. Wie lange würde es dauern? Eine Woche? Einen Monat? Länger würde er es sicher nicht durchhalten. Aber einen Monat musste er dem Plan Zeit geben. Wenn es bis dahin nicht funktionierte, würde er wieder verschwinden, genauso wie er gekommen war. Sein Blick suchte die ihn umgebenden Wolkenkratzer nach Grün ab. Als er keines fand, seufzte er bekümmert: diese Enge! Einen Monat musste er durchhalten. Das war er den anderen schuldig. Aber keinen Tag länger!

Noone erhob sich, wischte seine Hände an der Hose ab, belud den Glider mit Kanistern und stieg in die Kapsel. Isolde 437dc führte den Gerätecheck durch und brachte ihn schließlich zu Tower QF567a, wo er erneut in die Versorgungsetage eindrang. Über das Display konnte er sehen, wie Joye aus der Dusche kam, sich föhnte und ein frisches Kleid entgegen nahm, welches sie durch einen Voicebefehl angefordert hatte. Ihr schien es gut zu gehen. Keinerlei Anzeichen einer Verstimmung. Was hatte er auch erwartet? Dass sie von einem Moment auf den anderen zusammenbrach? Verwirrt in ihrem Zimmer Schimären anschrie?

Vermutlich würde es einige Tage dauern, bis sich erste Veränderungen einstellten. Es würde für Joye die Hölle werden. Die absolute Hölle! Aber wenn sein Plan funktionierte, dann bestand Hoffnung. Wirkliche Hoffnung!

Auf dem Display konnte er sehen, wie Joye die Getränkemaschine anwies ihr einen starken Kaffee zu machen. Genau in dem Moment kam durch die Verbindung von Außen ein Anruf. Wer es war, konnte Noone weder von dem Display ablesen noch in der undeutlichen Übertragung erkennen. Aber es hatte zur Folge, dass Joye nur einen Schluck ihres Kaffees trank, den Kopf schüttelte und sich kurz darauf an die Scheibe stellte. Kurz darauf erschien ein Glider, der die Verbindung zum Gebäude herstellte und Joye in sich aufnahm. Das Apartment blieb verlassen zurück. Noone verspürte den Impuls mit dem Glider zur Versorgungseinheit 179cf3k herabzufahren und den Raum zu betreten. Aber er verwarf den Gedanken. Stattdessen nahm er die Kanister und ging den Gang entlang.

„Versorgungseinheit 00179cf3k öffnen!“
Die Box sprang auf. Noone kontrollierte die vorhandenen Vorräte und entleerte die Kanister. Den Zuleitungsschlauch, den er verstopft hatte, tropfte ein wenig, hielt aber ansonsten dicht.

 

VII.

 

Chip nahm Joyes Hand und führte sie durch die Gänge. Hinter Glasvitrinen sah man alte Schaufeln, Eimer und anderes Werkzeug, welches die Siedler benutzt hatten, um New Hope aufzubauen. Sie blieben vor einem gut eineinhalb Meter großen Gegenstand stehen.

„Was ist denn das?“, fragte Chip. Joye zuckte mit den Schultern und ihre Begleiterin strich Chip strich über eines der Displays.

„Dies ist ein Bohrhammer.“, begann eine weiche Frauenstimme. „Er wurde im 19. Jahrhundert entwickelt und wurde von den Siedlern benutzt, um das harte Gestein abzutragen, welches sich unter der sandigen Oberfläche der Wüste befindet.“

Joye grinste. „Jetzt sind wir schlauer.“

Gemütlich schlenderten sie zum nächsten Glaskasten weiter. Das Schild wies das Gerät als einen Drillbohrer aus. Die sanfte Frauenstimme erläuterte: „Der Drillbohrer war für die ersten Siedler ein wichtiges Instrument zur Gewinnung von Kohle und Erz. Die Siedler nutzten die gewonnenen Rohstoffe um die industrielle Entwicklung voranzutreiben.“

Chip lächelte und strich sich mit einer Hand durch die Haare. „Wenn man bedenkt, wie eingeschränkt die ersten Siedler gelebt haben. Ziemlich primitiv.“ Er beugte sich vor. „Mit den einfachsten Sachen haben sie sich in die Erde gegraben. Wenn man bedenkt, wie wir heute die Welt im Griff haben.“

In Joye regte sich etwas. Eine Frage. Ein Zweifel. Aber sie konnte den Gedanken nicht formulieren. Sie kamen in eine Halle, in der riesige Bagger ausgestellt waren. Allein die Ketten und Räder erreichten eine Höhe von sieben Metern. Der gesamte Aufbau der alten Maschinen erreichte eine Höhe von über vierzig Metern. Schweigend durchschritten sie die Halle. Eine Gruppe von Jugendlichen wurde von einem Ausbilder vorbeigeführt.

„Die ersten Siedler haben den Sand bezwungen und die Erde für ihre Nachfahren fruchtbar gemacht. Damit auf diesem Stück Menschen leben und gedeihen können.“ Der Mann mit Brille und schwarzen Haar, machte eine Pause, um seine Worte sacken zu lassen. „Kinder, was ihr hier seht, ist der Anfang unserer wunderbaren Stadt New Hope. Ohne diese mutigen Menschen, die ihr Blut und ihr Schweiß vergossen haben, wäret ihr nicht hier. Wenn ihr am Minersday die Feiern sieht, dann seid dankbar, dafür, was die ersten Siedler geleistet haben.“

Die Gruppe verschwand hinter einem der Bagger. „Hier seht ihr die schwersten Baumaschinen, die in der Geschichte in Betrieb waren. Weiß jemand von euch, wie das Erz heute gefördert wird?“

Einen Moment trat Stille ein. Dann sagte eine Mädchenstimme: „Heute machen das kleine Drohnen, die den Stollen in kleinen Geschwadern bearbeiten, je nachdem wie viel in New Hope gebraucht wird.“

„Sehr gut, Chair.“, erklang wieder die Stimme des Ausbilders. „Ja, im Gegensatz zu damals hat sich viel geändert. Der Abbau von Rohstoffen erfolgt heute viel ressourcenschonender und effizienter.“

Die Gruppe verschwand durch eine Glastür. Jetzt waren wieder Joyes und Chips Schritte zu hören.

„Was die Siedler damals durchgemacht haben müssen.“, sagte Joye und deutete auf einen der Bagger. „In diesem Kasten zu sitzen, mitten in der Wüste. Sicher sind die Leute krank geworden.“

Chip schaute zu der verrosteten Maschine auf, sagte aber nichts. Joye trat der Schweiß auf die Stirn. Um es zu verbergen, ging sie hastig einige Schritte voran, dichter an den riesigen Bagger heran.

„Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?“, fragte sie und hoffte, dass Chip ihre Anspannung in der Stimme nicht hören würde. Der Kopf ihrer Kollegin hob sichund deutete auf die Schaufel des Baggers. „Die Miners haben gelebt wie die Tiere. Sie haben im Dreck gewühlt, haben gegen Stürme und Bestien gekämpft und ihr Lebensinhalt war das Überleben.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Eigentlich waren sie nur Primaten, die mit Werkzeugen umgehen konnten. Erst hier, in New Hope, konnte sich die Menschheit entwickeln.“

Joye war sich einen Moment lang unsicher, ob sie etwas dazu sagen sollte, als Chip weitersprach: „ Wir sind die Krone der Schöpfung und das haben wir alles unseren Vorfahren zu verdanken.“

Chip senkte den Blick und schaute sie an. „Wir können wirklich froh sein, dass wir nicht wie sie im Dreck wühlen müssen.“

Sie gingen weiter. Joye schaute betreten zu Boden. Warum sagte Chip das? Hatte sie gemerkt, dass mit ihr etwas nicht stimmte? Würde sie sie verraten? Ihr Blick wanderte von Vitrine zu Vitrine, ohne sie zu beachten. Es schien alles ganz normal zu sein. Ein Ausflug mit einer Arbeitskollegin. Sie versuchte ein Schnauben zu unterdrücken, atmete leise aus. Chip gab hier und dort noch einige Kommentare ab. Als sie den Ausgang erreichten, verabschiedete sich Joye. Chip schaute verwundert.

„Wollen wir nicht noch etwas trinken gehen?“

Joye schüttelte den Kopf. „Ich bin müde.“

Sie umarmte ihre Arbeitskollegin, trat an das Fenster, vor dem schon ein Glider auf Passagiere wartete.

 

VIII.

 

Noone stand im Dunkel der Nacht an der verwundenen Mauer, wo Displays leuchteten. Wenn er sich umdrehte und die Gebäude mit ihren geraden Linien sah, wollten die emporragenden Türme ebenso wenig dazu passen, wie die sich windende Stahltrasse, oberhalb der Konstruktion. Warum war ihm das nicht schon vorher aufgefallen? Waren dies Türme, die die ersten Siedler gebaut hatten, bevor die Stadt im Laufe der Zeit ihre jetzige Form angenommen hatte? Zwar hatten weder Wind noch Sand eine wirkliche Angriffsfläche, da die gewundene Struktur die Kraft durch die gewundene Struktur abgeleitet wurde, aber sie konnten den Eindruck des Falschen nicht völlig nehmen. Noone drehte sich wieder zu den riesigen Gebäuden im Central Buisness District zu. Wie oft war er selbst an diesen Häusern vorbei geflogen, ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, wie die Welt außerhalb der Stadt funktionierte? Als sei er blind gewesen für die Welt, die ihn umgab. Was war dies für eine Stadt? Wer steuerte sie? Und wer tat ihn das alles an?

Noone quetschte sich in die Kapsel des Gliders und wies Isolde an, die Stadtmauer entlang zu fliegen. Die Ausbilderin hatte damals erzählt, dass sie von Osten nach Westen gebaut wurde. Das würde er nun überprüfen wollen. So lange, wie die Siedler gebraucht hatten, die Stadt aufzubauen, musste es Unterschiede in der Art des Baus geben.

Der Gilder passierte den ersten Turm und flog in gut fünf Meter Höhe über die sich windenden Stahltrasse. Auch der nächste Turm war aus grobem Stein mit wenigen Fenster gebaut. Noone konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es mehr ein Verteidigungswall gegen Angreifer war, als ein wirklicher Schutz gegen Sand und Sturm. Die Mauer versank zunehmens in der Dunkelheit, jedoch meinte Noone zu erkennen, dass es weder in der Art des Turmbaus, noch in der Art des Mauerbaus Unterschiede gab. Als er den Glider wieder auf dem Hinterhof landete, hatte er mehr Fragen in New Hope gefunden, als er Antworten. Noone flog noch einige Zeit an der Mauer weiter und steuerte dann wieder in die Richtung der Wohneinheiten, um zu schauen, wie es Joye ging. Eigentlich müsste sie schon Veränderungen zeigen. Aber von den Monitoren aus, konnte er nichts sehen. Sie schien sich völlig normal zu verhalten. Hatte er sich das alles nur eingebildet? Hatte er vielleicht nach seinem Absturz nur eine Krankheit gehabt, die sein Bewusstsein verwirrt hatte? Er schaute auf die Anzeigetafel. Joye lag auf ihrem Sofa. Ob sie schlief, konnte Noone nicht sehen. Er erinnerte sich an die ersten Tage, die er allein verbracht hatte, dachte an die Schmerzen und die Verwirrungen. Nichts von alle dem konnte er bei Joye auszumachen. Irrte er sich? War sein Plan, sie von hier herauszuholen sinnlos? Einfach falsch?

Sein Blick ruhte noch eine Weile auf dem Display, konnte aber keine Antwort auf seine Fragen finden. Er befüllte das Trinkwasserfach der Versorgungseinheit 00179cf3k und verlies er den Versorgungsschacht wieder, stieg in den Versorgungsglider und wies Isolde an, ihn die siebte Straße inspizieren zu lassen. Die Skyline der Stadt schien übermächtig, während er in seinem Glider dahinrauschte. Was konnte er schon tun, gegen diese Macht, in der 10.000.000 Menschen wohnten? Vielleicht sollte er seine Unternehmung abbrechen und wieder verschwinden. Genauso heimlich wie er gekommen. Niemand würde etwas merken und niemand würde ihn suchen. Er würde einfach in den Bergen weiterleben.

Glider Isolde bog ab in die fünfte Straße und Noone dachte an das Baden im Bach und seine langen Fußmärsche. Er genoss die Natur. Aber würde er dort für immer alleine bleiben können?

Noone starrte noch einen Moment in die Dunkelheit, spürte dem Gefühl nach, welches solch eine Unruhe in ihm verursachte. Er ließ den Glider abbiegen, steuerte an den Wohnblocks vorbei, bis er die Produktionseinheiten erreichte und den Glider an einer Fabrik bis zum Boden absenkte. Er griff nach den leeren Kanistern. Diesen Tunnel hatte er nach seiner Rückkehr nach New Hope entdeckt. Hier wurde das Wasser von New Hope auf mehreren Etagen gefiltert, gemessen und mit neuen Zusatzstoffen versehen.

Er durchschritt eine Metalltür, die das Dunkel auf eine Treppe freigab.

„Licht.“, sagte Noone und eine Leuchtstoffröhre flackerte auf.

Abschüssig lagen etliche Klärbecken, die in einem riesigen Tunnel ihre Arbeit verrichteten. Am Ende des Tunnels befand sich ein Rohr, welches mit etlichen Warnhinweise ausgezeichnet war. Er überzeugte sich noch einmal, dass er allein in der Halle war. Vorsichtig drehte er an dem handgroßen Rädchen, bis sich ein Schwall Wasser in das darunter liegende Aufbereitungsbecken ergoss. Die Kanister brauchten fünf Minuten, bis sie gefüllt waren. Noone verschloss den Zulauf und steuerte wieder in Richtung des Ausganges. Aus einer Wandöffnung trat ein Roboter. Noone sah ihn zu spät, um sich verstecken zu können. Sein Metall glänzte im Schein des fahlen Lichtes.

„Dieses ist ein Sicherheitsbereich. Bitte verifizieren sie sich!“ Die blecherne Stimme klang kalt und hart. Noone überlegte, ob er einfach loslaufen sollte. Entschied sich aber dagegen.

„Ich habe den Versorgungsauftrag 47 bcd.“

Der Roboter stand einen Augenblick ruhig da. „Bitte, verifizieren sie sich. Ansonsten bin ich gezwungen Zwangsmaßnahmen anzuwenden.“

Ohne weiter nachzudenken, rannte Noone los. Mit wenigen Schritten erreichte er die Treppe. Er konnte nur hoffen, dass der stählerne Wächter Probleme haben würde, diese zu erklimmen. Oben angelangt, schlug er hinter sich die Tür zu, rannte auf den Glider zu, verstaute die Kanister. Mit einem Klicken sprang die Tür wieder auf. Noone saß bereits in dem Versorgungsglider. Versorgungsglider Isolde setzte zu ihrer Begrüßung an, aber Noone schlug hart gegen das Display, sodass die Stimme abbrach. Der Glider schraubte sich langsam in die Höhe. Der Roboter stand auf dem grauen Asphalt und schaute ihm nach. Ein rotes Lämpchen leuchtete im Cockpit auf.

„Bitte verhalten sie sich ruhig und landen ihren Glider.“, sagte eine männliche Stimme in einem ruhigen Ton. Aber Noone drückte weiter auf das Display. Noch bevor die eigentliche Höhe erreicht war, betätigte er den Vorwärtsschub und bewegte sich voran. Oberhalb seines Cockpits konnte er zwei hellblaue Glider sehen, die sich ruhig durch den Nachthimmel bewegten. An der nächsten Ecke bog Noone in die siebenunddreißigte Straße ein, passierte Schornsteine, die von orangen Lichtern erhellt wurden. Dampf erfüllte die Atmosphäre. Je mehr der Versorgungsglider beschleunigte, desto größer war die Chance, dass die Drohnen, ihn nicht finden würden. Vor ihm tauchte ein weiterer Versorgungsglider auf. Ein neueres Model, aber es wies die selbe weiße Lackierung auf, wie Glider Isolde. Wieder schaltete sich das rote Lämpchen ein.

„Bitte verhalten sie sich ruhig und landen ihren Glider.“

Langsam schoben sich vier Drohnen neben den Glider. Noone steuerte weiter. Was sollte er jetzt tun? Ohne darüber weiter nachzudenken, gab er vollen Schub und senkte die Maschine ab. Sie fiel nahezu senkrecht, wie ein Greifvogel beim Sturzflug. Noone schlug mit der Stirn gegen die Konsole. Dann zog er die Maschine wieder hoch. Die Drohnen waren hinter ihm. Er hatte sich ein wenig Luft verschafft. Unterhalb der üblichen Flughöhe schoss er durch die siebenundreißigste Straße. Abbiegen würde bei der Geschwindigkeit zu einem Unfall führen.

Zur Rechten und Linken erhoben sich Mauern. Große, dunkle Wälle. Wenn Noone keine Möglichkeit fand, den Kurs zu ändern, würde er unweigerlich auf eine dieser Mauern prallen. Spätestens auf die Außenmauer New Hopes. Selbst wenn darüber hinaus flog. Er würde nicht mehr zurückkommen können. Das wusste er. Es wäre alles vorbei. Noone ließ den Glider an Höhe gewinnen, bis er sich auf Höhe der Schlote befand und steuerte auf das Fabrikgelände. Er konnte im Scheinwerferlicht die Produktionshallen sehen. Einen riesigen Schmelzofen, der sein Licht in die Dunkelheit ergoss. Wieder leuchtete das rote Licht auf.

„Sie haben anscheinend die Kontrolle über den Glider Isolde verloren. Wir werden sie jetzt zur Landung bringen.“

Im nächsten Moment war ein Schaben auf der Außenhülle des Gliders zu hören. Noone reagierte instinktiv und steuerte den Glider nach links, direkt auf einen der Schlote zu. Mit dem rechten Flügel rammte Isolde krachend die Drohne. Einzelteile schlugen gegen die Oberfläche. Noone riss die Steuerung herum, konnte aber nicht mehr verhindern, dass Isolde am Schornstein entlangschrammte. Für einen Moment taumelte der Glider, dann gewann er wieder an Flughöhe. Noone schaute sich um, konnte aber die anderen drei Drohnen nicht im Dunkel erkennen. Langsam senkte er den Glider ab, steuerte auf eines der länglichen Fabrikgebäude zu. Vorsichtig setzte er zur Landung an.

 

IX.

 

Es hatte schon im Glider begonnen. Joye hatte immer wieder diese Stimme gehört, die ihren Namen rief. Keine unbekannte Stimme. Aber sie konnte sie nicht zuordnen. Also hatte sie nicht reagiert, hatte sich gezwungen, das wiederholte Rufen ihres Namens zu ignorieren. Bei der Ankunft in ihrem Appartement hatte sie sich umgedreht, aber niemanden gesehen, den sie zu kennen schien. Jetzt lag sie mit aufgerissenen Augen auf ihrem Bett. Hatte sie geschlafen? Draußen war es dunkel. Aber sie konnte sich auch täuschen. Gerne hätte sie etwas getrunken, aber die Vorstellung sich in die Küche zu bewegen, machte ihr Angst. Der Teppich schien sich zu bewegen. Als würde kleine Tiere darüber krabbeln.

Joye richtete ihren Oberkörper auf. Was sollte sie tun? So konnte sie unmöglich zur Arbeit gehen. Sie war außerstande auch nur einen Schritt zu tun. Konnte sie jemanden um Rat fragen? In Gedanken ging sie die Namen ihrer Bekannten durch. Aber was konnten sie auch schon tun, auch wenn sie gewillt waren ihr zu helfen?

Was würde passieren, wenn die anderen erfuhren, dass sie krank war? Sie meiden? Würde sie ausgetauscht werden? Vielleicht war es am besten, wenn sie sich irgendwo versteckte. Auf dem Dach oder irgendwo zwischen den Häusern. Dort, wo sie niemand finden konnte. Aber vielleicht würde auch nichts passieren, wenn sie einfach zu Hause blieb. Vielleicht würde man sie vergessen und sie konnte einfach in ihrer Wohneinheit weiterleben. Niemand bräuchte mitbekommen, dass sie krank wurde. Vielleicht würde es irgendwann besser werden. Wieder aufhören mit der Krankheit und sie konnte ganz normal weitermachen.

Erschöpft lehnte sie sich zurück, schloss die Augen. Ihre Ausbilderin tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Damals, wie sie in der Skihalle gewesen waren. Immer wieder hatte sie betont, dass es unmöglich sei, krank zu werden, wenn man die Vitamine nahm. Aber jetzt war sie krank. Oder hatte sie es irgendwann vergessen? Joye fühlte sich einen Moment schuldig, drehte sich zur Seite. Sie musste das einfach vergessen. Sie würde nicht zur Arbeit gehen und einfach hier, in diesem Appartement weiterleben.

X.

 

Noone trat müde an den Glider heran. Die Beulen auf dessen Oberfläche glänzten im Morgenlicht. Die Häuser von New Hope erhoben sich wie düstere Riesen gegen den Horizont. Sollte er es jetzt wirklich wagen? Wenn er Joye jetzt nicht holte, dann würde er es niemals tun! Er stemmte die Hände in die Hüften: Er hatte die Sache begonnen, also würde er sie auch beenden. Kurz entschlossen stieg er in den Glider, schloss die Kabine und starte den Antrieb. Als die Isoldes Stimme ihn nach seinem Reiseziel fragte, schaltete er auf manuelle Steuerung. Betätigung tat ihm gut. Die ganze Nacht hatte er nahe der verschlungenen Mauer gesessen und nachgedacht. Wollte Joye überhaupt frei sein? Wollte sie ihre Welt verlassen? Er würde sie fragen und ihr die Entscheidung überlassen.

Langsam hob sich das Fluggerät und Noone fädelte sich in den Verkehr ein. Zwischen den noch im Halbdunkel liegenden Häuserschluchten kam ihm der ein oder andere Glider entgegen. Joyes Tower lag gut zehn Minuten entfernt. Noone ließ den Glider ansteigen, sodass er über die Mauer hinwegsehen konnte, in die Ferne Unendlichkeit des Wastelands. Was würde Joye davon halten, wenn sie die Wahrheit erfuhr? Er konnte nur hoffen, dass sie verstehen würde. Aber konnte dies jemand, der niemals außerhalb von New Hope gewesen war?

Eine Drohne mit zwei Propellern kam aus einem der Gebäude einige Stockwerke über seinem Glider. Sie senkte beim Start einige Meter abwärts, fing sich und verschwand im Verkehr der Stadt. Noone steuerte ohne Umwege auf Joyes Wohneinheit zu, reduzierte das Tempo und kam zwei Stockwerke über ihrem Appartement zum Stehen. Über die Konsole manövrierte sich er sich in ruckeligen Zügen abwärts, bis er schließlich vor der verspiegelten Scheibe stand. Joye würde sich vielleicht wundern, wenn ein Glider schon vor dem Fenster stand. Sollte er besser weiter oben parken, um dann das Fenster anzusteuern, wenn Joye sich für die Arbeit bereit machte. Aber dann würden andere Taxiglider das Transportsignal erhalten und seinen Plan unmöglich machen.

 

XI

Joye saß an auf ihrem Bett, traute sich nicht zu regen. Überall waren diese kleinen Tiere. Sie krabbelten über die Fensterscheiben, über den Boden, an der Decke. So blieb sie auf dem Bett liegen. Bewegungslos. In ihrem Unterleib krampfte sich alles zusammen. Sie war krank! Sie war unheilbar krank, das wusste sie jetzt sicher. Dieses schmerzhafte Kribbeln unter ihrer Haut! Sie musste krank sein. Sicher hatten es alle im Büro schon mitbekommen und an ihrem Schreibtisch würde bald jemand anderes sitzen. Vielleicht hatten sie die vielen kleinen Insekten krank gemacht. Nicht ohne Grund musste man der Gebäudereinigung unverzüglich jegliche Art von Befall melden. Wenigstens war die Hausanlage verstummt, die immer wieder nach einer Rückmeldung erkundigt hatte. Drei Mal hatte sich die Frauenstimme gemeldet. Aber jetzt war sie still. Vielleicht hatte man sie einfach vergessen. Joye drehte sich keuchend zur Seite. Der Schmerz wurde einen Moment so überwältigend, dass sich gesamter Leib zuckend Hin und Her wälzte. Sie verlor jegliche Kontrolle. Wenn sie die Augen aufmache, dann sah sie wieder diese kleinen Tiere, die über die Fenster rannten. Ein kalter Schauer rann über ihren Rücken. Trotzdem hätte sie am liebsten ihr Oberteil ausgezogen. Es war Schweiß durchnässt. Dann wurde ihr schwindelig. Ihre Hände krallten sich in das Laken, als könnte sie damit ihren Sturz aufhalten.

 

XII

 

Die Sonne erfüllte New Hope mit Glanz. Das Glas der Scheiben reflektierten all den Reichtum, den die Stadt zu bieten hatte. Glider erfüllten die Straßen, sammelten die Menschen aus ihren Häusern. Noone blickte angespannt auf die verdunkelte Glasscheibe von Joyes Appartement. Nichts geschah. Sollte er den Versorgungsschacht aufsuchen, um zu sehen, was in Joyes Appartement vor sich ging?

Noone kratzte sich mit den Fingern durch den Bart. Wenn Joye nun in diesem Moment ihre Scheiben öffnete. Unschlüssig schaute er auf die Glasfront, als sich plötzlich drei Dohnen näherten. Ihr steiler Senkflug verringerte die Höhe drastisch und die Flugobjekte nahmen Position vor Joyes Stockwerk ein. Langsam schwenkten sie ihre Front Hin und Her. Noone hatte einen Moment das Gefühl, sie würden die Glasfront scannen. Als die Scheiben entspiegelten und das Innere des Appartements freigaben, konnte er Joye nirgends entdecken. Eine der Drohnen steuerte dichter an das Gebäude heran. Die Glasscheibe schob sich beiseite und das kleine Flugobjekt drang ins Innere des Gebäudes ein. Noone, der fassungslos das Geschehen beobachtet hatte, zog seinen Glider nun ebenfalls dichter zum Gebäude.

„Glider Isolde 375 cd. Bitte identifizieren sie sich und nennen sie ihre Inspektionsnummer.“, drang es aus den Lautsprechern des Gliders. Noone schaute verwirrt auf die Konsole. „Isolde, hilf mir.“

Aber Isolde 375cd gab keine Antwort. Die zwei übrig gebliebenen Drohnen nahmen eine bedrohliche Haltung ein. Noone überlegte, ob sie ihn irgendwie stoppen könnten. Was sollte er tun? Was sollte er sagen?

Eine der Drohnen näherte sich dem Glider, scannte vermutlich die Oberfläche des ausrangierten Flugobjektes ab. Noone drückte verzweifelt die Konsole: „Meine Wartungsauftrag ist zk 473 und ich soll mit diesem Gerät die alten Versorgungsschächte kontrollieren.“

Zwar würden die Drohnen sehr schnell merken, dass es diesen Wartungsauftrag nicht gab, jedoch konnte es ihm ein wenig Zeit verschaffen, sofern der Auftrag in der Außenstelle von Menschen verifiziert werden musste. Funktionierte das System rein elektronisch, war er innerhalb von Sekunden überführt.

Ohne weiter darüber nachzudenken, öffnete er die Pilotenkapsel. Isolde gab ein lautes Alarmsignal von sich. Noone steuerte die Kapsel dichter vor die geöffnete Glasscheibe, zwängte sich durch die Kapsel und wagte den Sprung in Joyes Appartement. Das elektrische Dröhnen der Drohne erfüllte den Raum.

„Joye?“, rief Noone und drang in das Schlafzimmer ein. Ein regloser Frauenkörper lag zusammengekrümmt auf dem Bett, über ihr schwebte die Drohne, schien eine umfassende Untersuchung durchzuführen. Sie würde sehr schnell feststellen, dass die Menge an Medikamenten in Joyes Blut nicht dem entsprach, was sie bei normaler New Hopeversorgung haben müsste. Joye krampfte und übergab sich. Die Drohne musste ihre Position korrigieren, um den Scan fortzuführen. Bevor Noone etwas unternehmen konnte, richtete sich Joye auf, schlug in Richtung der fliegenden Maschine und sprang aus dem Bett. In gekrümmter Haltung steuerte sie auf Noone zu, der zu verdutzt war, um beiseite zu springen. Joyes Schulter rammte gegen die seine, sodass er taumelte.

„Lass mich!“, schrie sie. „Ich will nicht!“

Mit einem Satz war sie am Fenster, noch bevor Noone reagieren konnte. Sie überwand die Distanz zum Glider und gab undeutliche Laute von sich. Die Drohne flog unterhalb der Decke in Richtung des Fensters. Mit einem Mal fiel der Reparaturglider in die Tiefe, als hätte die Schwerkraft doch noch den Kampf gegen ihn gewonnen. Eine erstickter Schrei entfuhr Noones Kehle.

Die drei Drohnen ließen sich ebenfalls fallen. Noone eilte zum sich schließenden Fenster und konnte nur noch die formlosen Schemen sehen, die der Glieder machte. Langsam verdunkelten sich die Scheiben und Noone stand erschrocken da. Das hatte er sich anders vorgestellt. Was sollte er jetzt tun?

 

XIII

 

Joyes Glider fiel in die Tiefe. In rasendem Tempo sah sie den Boden auf sich zukommen. Panisch drückte sie einige Male auf der Steuerungskonsole herum. Der Glider begann zu taumeln, schoß vorwärts, knapp an einem der Taxis vorbei. Der Versorgungsglider steuerte nun auf die Glasfassade eines Wolkenkratzers zu. Joye brüllte: „Abbiegen!“

Aber der Glider reagierte nicht. Hilflos drückte sie wieder auf die Steuerungskonsole. Der Glider verführte eine taumelnde Bewegung, schwenkte leicht nach links. Joye riss sich zusammen, versuchte sich zu konzentrieren und schaute mit zugekniffenen Augen auf das Display vor ihr. Nun erkannte sie, die Steuerungsangaben und legte die Hand auf das kühle Glas. Augenblicklich hatte sie das Flugobjekt unter Kontrolle. Sie schrammte an dem Gebäude vorbei und steuerte in Richtung des Central Buisness Districts. Hier waren unzählige Glider unterwegs. Wenn sie überholte, würde sie vermutlich mit einem der hellblauen Taxis kollidieren. Sie atmete ihre Anspannung mit einem langen Atemzug aus und reihte sich zwischen den anderen Glidern ein. Ihr ganzer Körper war schweißüberströmt. Das Herz hämmerte in ihrer Brust. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte nicht zurück. Aber wo sollte sie hin? Übelkeit stieg in ihr auf. Plötzlich leuchtete die Konsole mit einem kurzen grünen Leuchten auf.

„Hier spricht die Flugeinheit FC00A93. Sie haben unberechtigt Zugriff auf das Beförderungsmittel Isolde unternommen. Bitte steuern sie das Gerät weiter, damit wir ihnen bei einer sicheren Landung helfen können.“

Joye durchfuhr ein heftiger Schmerz. In ihren Eingeweiden schien etwas zu explodieren. Ihr Körper krümmte sich nach vorn. Mit dem Kopf schlug sie leicht gegen das Glas. Zu ihrer Linken schwebte eine der Drohnen. Vermutlich Flugeinheit FC00A93. Sie konnte nicht zurück. Wenn sie wirklich krank war, dann würden es alle mitbekommen haben. Was würde man mit ihr machen? Durfte sie dann weiter arbeiten? Oder musste dann den Arbeitsplatz wechseln? Sie musste weg. Sich verstecken. Irgendwo.

Schweiß rann ihr in die Augen. Fieberhaft suchte sie in den Gedanken nach einer Möglichkeit, den Flugeinheiten zu entkommen. Noch zwei Straßenzüge, dann würde der CBD enden und sie würde zu den Wolkenkratzern mit den Versorgungseinheiten gelangen. Gab es dort eine Möglichkeit, den Flugeinheiten zu entkommen? Solange der Versorgungsglider in diesem dichten Verkehr unterwegs war, konnten die Drohnen sie nicht zu einem Flugmanöver zwingen. Ihr Glider würde mit anderen kollidieren.

Ratlos musste sie mit ansehen, wie die Wolkenkratzer an ihr vorüber zogen. Die Drohne wiederholte ihre Anweisung. Aber Joye blieb starr auf ihrem Sitz, schaute nicht nach links, als würde das Ignorieren die Anwesenheit der Drohne verschwinden lassen. Sie überquerte die siebente Straße. Immer noch rauschten sie Glasfassaden an ihr vorbei. Wenn sie zu den Versorgungseinheiten kam, konnte sie vielleicht auf einem der Dächer landen. Und dann? Was sollte sie dann tun? Gab es eine Möglichkeit von dem Gebäude zu kommen? Einen Schacht oder etwas ähnliches? Die ersten Versorgungseinheiten glitten zu ihrer Rechten und linken vorbei.

Wieder leuchtete das Display grün auf. „Hier spricht die Flugeinheit FC00A93. Da sie scheinbar nicht in der Lage sind, das Fluggerät zu steuern, werden wir ihnen helfen, Isolde zur Landung zu bringen.“

Augenblicklich ging ein Stoß durch den Glider. Joye wurde durchgeschüttelt. Über ihr sah sie den stählernen Körper der Drohne, die sich hinter ihrer gläsernen Kapsel an den Flugglider geheftet hatte. Joye schlug panisch gegen die Scheibe der Kabine. Nutzlos! Joye schaute nach links. Die andere Drohne hielt immer noch den selben Abstand. Panisch drückte sie gegen die Konsole. Aber die Drohne auf ihr steuerte gegen, sobald sie versuchte aus der Spur auszuscheren. Was würde jetzt mit ihr geschehen? In weiter Ferne sah sie das Wasteland. Kurz entschlossen drückte sie auf das, was sie für den Schub hielt. Der Glider machte einen Satz nach vorn. Die Drohne verlor den Halt und der Glider beschleunigte. Vor ihr tauchten Taxis auf. Sie steuerte leicht nach oben. Vor ihr tauchte die glänzende Spitze eines Taxis auf. Sie zog nach rechts. Sie durfte nicht nachlassen und nicht mit der Geschwindigkeit runtergehen. Sie musste hier raus. Sie musste ins Wasteland. Dorthin würden die Drohnen ihr hoffentlich nicht folgen! Die Wohneinheiten rauschten an ihr vorbei. Immer wieder musste sie langsameren Flugobjekten ausweichen. Hinter ihr schepperte es. Mit einem kurzen Blick nach hinten konnte sie sehen, dass eine der Drohnen ein Taxi gerammt hatte und brennend in die Tiefe viel. Die anderen beiden Drohnen folgten ihr noch immer. Hinter den Wohneinheiten tauchten die ersten Schornsteine der Fabriken auf. Bald hätte sie es geschafft! Sie versuchte erfolglos den Schub des Versorgungsgliders zu erhöhen. Er lief bereits auf maximaler Geschwindigkeit. Jetzt sah sie die gewundene Mauer auf sich zu rasen. Zu ihrer Linken stand einer dieser spitzen Aussichtstürme. Plötzlich leuchtete ihr Display rot auf. Ein hell pfeifender Warnton erfüllte das Cockpit.

„Hier spricht die Flugeinheit FC00A93. Ihr Glider scheint außer Kontrolle zu sein. Sie steuern auf unkontrolliertes Gebiet zu. Um eine sichere Landung zu gewährleisten, drosseln sie bitte die Geschwindigkeit.“

Aber Joye wollte sicher nicht die Geschwindigkeit reduzieren. Ihr Glider schoß über die Mauer, hinaus in die Wüste. Augenblicklich erstarb der helle Warnton. Sie warf einen Blick zurück und sah, dass die Drohnen ihr nicht mehr folgten und stieß einen Jubelschrei aus.

 

XIV

Noone überquerte den Hinterhof, ging zu einem der veralteten Glider des Typs Isolde. Zischend öffnete sich das Verdeck. Die angestaute Hitze schlug ihm ins Gesicht, als er sich in die Kapsel beugte. Er betätigte die Steuerkonsonsole.

„Schönen guten Tag. Hier spricht Isolde. Was kann“ ,Noone schlug gegen das Display, „ich für sie tun?“

Mit einer ungeschickten Bewegung strich er über die glatte Fläche der Konsole. „Welches Ziel gibt ihr Auftrag an?“

Wieder glitt Noones Finger über das Display. Dieses Mal etwas zielstrebiger und die Steuerung des Gliders schaltete auf manuell um. Isolde verstummte. Der Glider erhob sich und schwenkte in die Flugwege New Hopes ein.

Noone hatte für einige Minuten am Fenster gestanden und sich gefragt, was er tun sollte. So etwas hatte er nicht gewollt! Sein Plan war einfach gewesen. Joye mit dem Entzug beginnen lassen und sie zum richtigen Zeitpunkt aus der Stadt bringen. Aber jetzt musste er sich eingestehen, dass sein Vorhaben zu einem Desaster geworden war. Da er weder Joyes Glider noch die Drohnen sehen konnte, beschloss er sich über das Terminal der Versorgungseinheit einen Glider bestellen. Aber was hatte er als Fahrziel angeben sollen? Also gab er den alten Hof mit den ausrangierten Glidern an. Er würde zwar Zeit verlieren, aber könnte Joye ohne weitere Probleme verfolgen. Aber vielleicht hatte er zu viel Zeit verloren. Vielleicht hatten die Drohnen Joye schon gestoppt.

Der Glider rauschte zwischen den Hochhausfassaden dahin, passierte die fünfte Straße. Noone konnte nichts erkennen, was auf Joye hindeutete. Die Mittagshitze erwärmte das Cockpit. Noone lief der Schweiß über die Stirn. Mit seinem Zeigefinger strich er über das Display. Die Temperatursteuerung musste doch auch manuell zu steuern sein. Sein Glider passierte die sechste Straße, schließlich die siebente. Schließlich fand er in einem der Menus die Option, die die Temperatur regelte. Noone blickte wieder nach oben, spürte das Wirken der Klimaanlage. Der CBD würde bald enden und die Wohneinheiten würden beginnen. Was hatte Joye versucht, um den Drohnen zu entkommen? Würde auf einem Dach landen? Dann hätten sie die Drohnen bereits gefunden? War sie irgendwo gelandet um zu fuß weiterzufliehen?

Es gab viele Möglichkeiten. Aber keine davon erschien Noone besonders erfolgversprechend. Eine halbe Stunde später erreichte er in gemächlichen Tempo die verschlungene Mauer, die zum Wasteland führte. Auch hier konnte er nichts erkennen. Er steuerte nach Norden.

Die Idee, Joye zu befreien, war gescheitert. Er würde gegen Abend New Hope verlassen und in die Berge zurückkehren. Statt Joye zu helfen, hatte er ihr schweren Schaden zugefügt. Er flog einige Meter über der Mauer und passierte die achte Straße, die an der Mauer endete. Nichts war zu sehen, von Joye, Drohnen oder einem abgestürzten Glider. Er blickte nach rechts, schaute in die siebte Straße und verringerte den Schub. Vom Boden stieg Rauch auf. Schockiert ließ er sich einige Meter tiefer sinken. Zwei Personen löschten einen Brand. Zwei Drohnen transportierten Wrackteile weg. Aus der Entfernung war es unmöglich auszumachen, ob es Joyes Glider war.

„Ist das das Ende?“, murmelte Noone vor sich hin. Ihm fiel er schwer, die Leere, die in ihm entstand zu beschreiben. Es war anders, als das, was er in der Wüste erlebt hatte. Damals war er nur verwirrt, orientierungslos gewesen. Hier empfand er noch etwas anderes. Eine Art von Schmerz, der ihn zu erdrücken begann. Er betrachtete das Szenario noch einen Moment und bewegte sich dann in langsamen Tempo weiter. An der nächsten Ecke bog er rechts in die sechste Straße ab, dann fuhr er ein Stück weiter und bog zwei Mal rechts ab, um in der siebenten Straße auf den Absturz zu zu fliegen. Ungefähr zehn Meter unter ihm wurden die Trümmer beseitigt. Aber auch aus dieser Höhe war schwer auszumachen, ob es ein Glider oder eine Drohne war.

Noone überlegte, wie wahrscheinlich es sein konnte, dass eine Maschine im Vergleich zu einem Menschen einen entscheidenden Flugfehler machte. Sehr gering. Trotzdem gab er dem Glider einen leichten Schub und hielt Ausschau nach einem gelandeten, zerbeulten Versorgungsglider. Er steuerte auf die Mauer zu und sah für einen kurzen Moment Reflexionen im Sonnenlicht. Noone kniff die Augen zusammen und glaubte unweit in der Wüste leichte Rauchschwaden aufsteigen zu sehen. Kurz entschlossen veranlasste er, den Glider in Richtung der Wüste zu fliegen. Mit ein wenig Glück konnte er den Punkt in wenigen Minuten erreichen. An der Mauer leuchtete das Display auf.
„Sie verlassen die geschützte Zone.“, informierte Isolde. „Ihr Antrieb wird außerhalb von New Hope versagen. Bitte kehren sie um.“

Aber Noone drückte den Schub durch. Der Glider beschleunigte. Rot leuchtete es im Cockpit auf, aus den Lautsprechern drang ein Warnsignal.

„Kehren Sie um!“, warte ihn Isolde. „Es gibt sonst keine Möglichkeit zur Rückkehr. Bitte kehren Sie um!“

Aber der Glider hatte die Mauer schon überwunden und brachte nun Meter um Meter Wüstensand hinter sich. Erleichtert stellte Noone fest, dass er sich nicht getäuscht hatte. Der Versorgungsglider lag unweit am Fuß einer Düne. Rauch quoll aus dem Heck auf. Ansonsten schien es unversehrt. Noone wollte den Schub erhöhen, aber die Geschwindigkeit sank weiter ab. Langsam fiel sein Glider in den Senkflug. Noone registrierte, dass der Glider verzögert auf seine Flugkommandos reagierte. Dann setzte der Glider auf dem Wüstenboden auf und schilderte voran. Gut zwanzig Meter entfernt war Joyes Glider zum Stillstand gekommen, aber weniger sanft als Noones. Das war deutlich zu erkennen. Die Stabilisatoren waren abgebrochen, das Heck war aufgesprungen und Maschinenteile verteilten sich um den Glider. Hastig sprang Noone aus dem Cockpit.

 

 

 

XV

 

Der Schmerz im Kopf hämmerte unerträglich. Flüssigkeit rann über ihren Kopf. Für einen Moment wusste sie nicht, was passiert war. Aber als sie den roten Sand vor sich sah, kehrten die Erinnerungen wieder. Sie hatte New Hope verlassen. Dann hatte der Glider den Geist aufgegeben. Noch bevor sie etwas unternehmen konnte, schlug das Fluggerät auf, überschlug sich. Dann riss die Erinnerung ab. Wenn es doch nicht so unerträglich heiß wäre! Sie tastete nach dem Kabinengriff und zog. Zur Hälfte ließ es sich öffnen. Joye richtete sich ein Stück auf und zog erneut daran. Nichts zu machen!

In der Ferne hörte sie ein Brummen. Waren die Drohnen ihr gefolgt? Würden sie sie jetzt festnehmen? Ihre Eingeweide durchfuhr ein brennender Schmerz, genauso wie in ihrer Wohnung. Was würden sie mit ihr machen, wenn sie sie wieder nach New Hope brachten. Würden alle davon erfahren, dass sie ihre Vitamine nicht genommen hatte? Sie lehnte den Kopf gegen die Cockpitscheibe und blickte auf den Sand, der sich vor ihr erhob. Keuchend wartete sie, dass der Schmerz wieder nachlassen würde. Dann sah sie vor sich einen Schatten. Sie blickte nach oben. Dort schwebte eine Drohne. Langsam senkte sich das Gerät. Was würde es mit ihr tun? Joye schrie verzweifelt auf, schlug durch die Öffnung mit der Hand nach der kleinen Maschine. Hatte sie sie verscheucht? Joye sah einen Moment lang nur den blauen Himmel. Kein Brummen, kein Dröhnen, keinen Schatten. Joye atmete erleichtert aus. Vielleicht hatte die Drohne sich nur verirrt und wollte nichts. Aber ihre Anspannung hielt an. Als es unter ihren Fingernägeln zu brennen begann, schaute sie ungläubig auf ihre Hand. Überall breiteten sich schwarze Flecken aus. Sie kratzte über die Haut. Aber die Flecken wollten nicht verschwinden. Sie kratzte fester. Blut trat aus offenen Wunden. Aber die Flecken verschwanden nicht. Schließlich gab sie es auf und sah zu, wie sich ihre Haut bis zum Handgelenk schwarz verfärbte, dann verblasste und schließlich nur das fließende Blut auf ihrer hellen Haut zurückließ. Schwer keuchend blickte sie sich um. Für den Moment schien alles ruhig zu sein. Sie richtete sich auf und zog erneut an der Cockpitluke. Sie ließ sich nicht öffnen, so sehr Joye sich auch anstrengte. Ihre Hände umklammerten den Rand und sie begann sich hochzuziehen. Mit ein bisschen Glück würde sie auch so hindurchkommen. Als sie ihren Kopf hindurchsteckte und gerade versuchte, die Schultern durch die Öffnung zu schieben, stand Leave in einem weißen Anzug neben ihrem Glider.

„Joye, du bist ein böses Mädchen! Du hast deine Vitamine nicht genommen!“

Seine Stimme klang sanft und freundlich. Joye schaute ihn verwirrt an. „Leave, was machst du hier?“

„Ich will dich holen. Du musst zurückkommen. Du gehörst zu uns.“

„Ich gehe nicht zurück. Niemals!“, schrie Joye aufgebracht. „Hörst du? Niemals!“

Sie drückte sich ein weiteres Stück aus dem Glider. Als sie wieder zu der Stelle schaute, an der ihr Arbeitskollege gestanden hatte, war Leave verschwunden. Verwundert schaute sich Joye um. Hinter ihr stand ein Glider. War Leave dorthin zurückgekehrt? Krämpfe durchfuhren ihre Arme. Sie lockerte den Griff und blieb einen Moment lag in dem Schlitz hängen.

„Leave, wo bist du?“

Ein Windzug strich ihr durch das Gesicht. Seine Wärme brannte wie tausend Nadelstiche. Joye biss die Zähne zusammen und versuchte sich weiter aus dem Glider zu stemmen. Stück für Stück presste sie sich hinaus. Jeder Muskel brannte in ihrem Oberarm. Schweiß rann in Strömen über ihre Haut, als plötzlich zu ihrer Linken ein Mann mit Haaren im Gesicht stand.

„Warte, ich helfe dir.“

„Verschwinde! Ich will keine Hilfe“, schrie sie ihm entgegen.

„Joye!“, sagte er in sanftem Ton.

„Ich will nicht zurück in eure Stadt.“ Sie ließ die Worte ein wenig verhallen, bevor sie hinzufügte: „Ich bin krank! Ich gehöre nicht mehr zu euch. Ich habe die Vitamine nicht genommen!“

„Joye, ich habe Wasser im Glider. Du musst etwas trinken. Dann geht es dir wieder besser.“

Sie schaute auf den Mann hinab. Er schaute zu ihr hinauf, direkt in die Augen und streckte ihr die Hand entgegen. Wenn sie wegschaute, war er bestimmt verschwunden. Sie reckte den Kopf in den Himmel. Als sie ihren Blick wieder zur Seite richtete, stand der Haarige immer noch da. Wut stieg in ihr auf. Laut schrie sie den Mann an, es solle verschwinden. Sie wolle nicht nach New Hope. Sie presste weiter, mit aller Kraft.

 

XVI

Joye hing festgeklemmt in der Öffnung der Maschine. Sie gestikulierte, redete vor sich hin. Ihre Haare lagen in wilden Strähnen in ihrem verschwitzten Gesicht. Mit aller Kraft versuchte sie aus dem Glider zu gelangen. Als Noone sich ihr näherte schaute sie in die entgegengesetzte Richtung. Als sie ihn sah, erkannte er die Panik in ihrem Gesicht und versuchte etwas Beruhigendes zu sagen. Aber Joye schrie, schien völlig außer sich zu sein. Noone konnte sehen, dass sie leicht aus dem Glider gelangen konnte, wenn sie noch einmal losließ und ihren Körper an die breitere Stelle der Öffnung schob. Aber sie war zu aufgeregt, als dass sie es ohne Hilfe schaffen würde.

„Eure verdammten Vitamine! Ich habe sie immer genommen! Und jetzt bin ich trotzdem krank!“, schrie sie. Dabei schaute sie ihn nicht an, sondern warf ihren Kopf in den Nacken. Als sie einen Moment später wieder zu ihm schaute, schien sie verwirrt.

„Joye, ich will nicht, dass du diese Vitamine nimmst.“, versuchte er in ruhigem Ton zu sagen. „Ich will dir helfen.“

„Verschwinde! Hau endlich ab!“, schrie Joye und stemmte sich mit aller Kraft gegen die Öffnung. „Ich werde auf keinen Fall nach New Hope gehen! Ich gehöre nicht mehr zu euch.“

„Joye, ich gehöre auch nicht mehr zu New Hope. Ich lebe in den Bergen.“

Aber Joye ignorierte seine Worte. Als ihr Körper für einen kurzen Augenblick jegliche Spannung verlor und dann mit den Armen zu rudern begann.

„Verschwindet!“

Sie schien nach irgendetwas zu schlagen, etwas vertreiben zu wollen. Aber da war nichts. So konnte es nicht weitergehen.

„Joye! Hör auf!“, schrie er sie an. „Ich helfe dir jetzt heraus und dann gehen wir in diese Richtung.“

Mit den Fingern deutete er zu der Hügelkette, die sich undeutlich am Horizont erhob. Die Frau im Cockpit schaute ihn abwesend an. Ihre Wangen hingen nun schlaff herab, die Augen waren nur halb geöffnet. Wie lange würde dieser Zustand anhalten? fragte sich Noone. Wie lange hatte er gebraucht, bis dieser Zustand nachgelassen hatte? Zwei Tage? Drei? Er konnte es schwer sagen. In den Tagen, als er die Wüste durchschritten hatte, konnte er sich eigentlich nur an den Durst und die Träume erinnern. Auch an die Angst, die ihn ständig begleitet hatte.

Er trat an den Glider, umspannte Joyes Hüfte und zog sie in die Richtung, in der die Kabinenöffnung breiter war. Joye schrie panisch auf. Erschrocken machte Noone einen Schritt zurück. Joye drückte sich wieder panisch gegen die Oberfläche des Gliders und rutschte aus der Luke, sodass sie kopfüber in den Wüstensand fiel. Noone trat zu ihr, aber noch bevor er ihr aufhelfen konnte, sprang sie auf die Beine und schrie wild auf, streckte ihm ihre Handflächen entgegen. Noone wich wieder zurück. Joyes Handflächen zeigten rote Flecken, die verletzt aussahen. Er musste etwas unternehmen! Plötzlich drehte sich Joye zur Düne. Ihr Gesichtsausdruck wurde panisch.

 

Noone sah wie Joye hinter einer der Dünenkämme verschwand. Mit seinen beiden Kanistern in der Hand holte er auf. Joye taumelte. Ihr schien die Hitze und die Sonne zusetzen. Er selbst sah schon schwarze Flecken und hellblaue streifen. Weiter steuerte er in die Richtung, in der Joye verschwunden war. Er glaubte sie schreien zu hören. Er würde in ihrer Nähe bleiben, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Wenn die Nacht kam. Vielleicht konnte er dann einige Kilometer mit ihr in die Richtung gehen, in der seine Höhle lag.

Joye schrie, das hörte er deutlich, als er den Dünenkamm beinahe erreicht hatte. Sie schrie, als seien alle bösen Mächte der Welt hinter ihr her. Sie lag am Fuße der abfallenden Düne, alle Viere von sich gestreckt. Sand überzog ihr Gesicht, versuchte krampfhaft, sich von geschlucktem Sand zu befreien. Hustete und röchelte. Hatte sie sich, soweit beruhigt, dass er ihr Wasser geben konnt?

Würde sie ihn erkennen.? Er nahm einen Kanister, ließ den anderen stehen und näherte sich vorsichtig der verwirrten Frau. Joye riss die Augen auf:

„Verschwinde! Lass mich in Ruhe!“

Noone konnte den Speichel sehen, der ihr, vermengt mit Sand, aus dem Mundwinkel rann.

„Du musst etwas trinken.“, sagte er in versöhnlichem Ton.

Joye schreckte auf. „Auf einen Fall! Lass mich mit euren scheiß Vitaminen in Ruhe. Ich will das Zeug nicht mehr!“

„Das ist Wasser aus dem Berg. Ohne Vitamine.“

Aber Joye wandte sich nur ab, krabbelte weiter, keuchte, hustete. Er würde ihr folgen, sie im Auge behalten. Wenn die Nacht hereinbrechen und es kühler werden würde, dann würde er sie nehmen und zur Höhle bringen. Aber solange sie sich weigerte, konnte er nichts machen. Sie musste erschöpft sein. Er griff nach dem Kanister und trank einen Schluck. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass sie sich langsam von ihm entfernte. Meter um Meter. Da sie schon zu erschöpft war, um zu gehen, musste er sich nicht beeilen. Er hatte ihr Leben aufs Spiel gesetzt, in dem übermütigen Glauben, dass sie die Freiheit genießen würde. Aber, jetzt hier, zwischen den Dünenkämmen, war er sich alles andere als sicher. War es hier wirklich besser, als in New Hope? War es wirklich ein Gewinn, nicht mehr zwischen den Mauern der Stadt zu leben? Mit einem Blick zu Joye sagte er sich, dass es nun nicht mehr zu ändern war, erhob sich und holte den zweiten Kanister. Als er Joye wieder folgte, hatte sie gut dreizig Meter zwischen sich und ihn gebracht. Mit hängenden Schultern stapfte er ihr hinterher.

 

XVII

 

Wo kamen all die Menschen her? Cloud und Ray? Die Ausbilderin und die Frau aus der Anmeldung. Was wollten sie von ihr? Sie hob ihre Hände und wollte ihnen sagen, dass sie gehen sollten. Warum ließen sie sie nicht einfach alleine und kümmerten sich um ihre Sachen? Gingen auf die Partys und ließen sie in Ruhe! Sie würde als Kranke gelten. Als jemand, der nicht mehr zu ihnen gehörte. Warum sollte sie dann mit ihnen gehen?

„Was wollt ihr?“, knurrte sie. Als die Vier nichts sagten, wiederholte sie die Frage: „Was wollt ihr?“

Aber die Bekannten standen nur da und blickten vorwurfsvoll sie an. Hinter ihr rumpelte es. Sie griffen an! Sie würden sie nach New Hope zurückbringen. Das durfte sie nicht zulassen. Mit wackeligen Beinen kämpfte sie sich durch den Wüstensand und begann zu laufen. Plötzlich sah sie einen Schatten vor sich. Eine Drohne? Wenn sie landete, würden sie sie gleich haben. Sie steuerte nach links und erklomm die Steigung der Düne. Die Drohne senkte sich herab und würde nun angreifen. Joye warf sich in den heißen Wüstenboden. Die Maschine war über sie hinweggeflogen und kreiste jetzt in Schräglage über die Düne, flog einen Kreis und steuerte wieder auf sie zu.

„Joye!“, rief eine Stimme. Sie schaute kurz über ihre Schulter. Wieder dieser Haarige! Er sollte verschwinden. Er trug etwas in seinen Händen. Etwas Großes! Vermutlich waren es die Vitamine, die jetzt nehmen sollte, wenn sie sie gefangen hatten. Aber sie wollte keine Vitamine mehr nehmen. Sie wollte auch nicht in die Stadt zurück! Dafür würde sie alles tun!

Als Joye zu laufen begann, achtete sie weder nach rechts, noch nach links. Sie wollte einfach nur weg. Zu ihrem Entsetzen musste sie feststellen, dass überall am Horizont Drohnen auftauchten. Sie rannte weiter durch den Wüstensand. Ihren Füßen fiel es immer schwerer sich durch den Wüstensand zu kämpfen. Aber die Drohnen kreisten weiter über ihr. Vor ihr lag der Sand. Wenn sie weit genug rannte, würden die Drohnen vielleicht das Interesse an ihr verlieren oder mussten erst nach New Hope zurück, um Energie zu laden. Als Joye nach rechts schaute, sah sie die Stadt. Groß und monströs hob sie sich vom Himmel ab, wie ein Ungetüm in der endlosen Weite. Sie musste über die Düne entkommen. Wenn das schaffte, verloren die Drohnen vielleicht die Verbindung zur Stadt und stürzten ab, ebenso wie der Glider. Der Weg hinauf war anstrengend, viel anstrengender, als die ebene Fläche. Aber wenn sie den Flugobjekten entkommen wollte, dann musste sie es schaffen!

 

XVIII

 

Als Joye erwachte, war es um sie herum dunkel. Es knackte irgendwo hinter ihr. Der Geruch von Verbranntem lag in der Luft. Hastig fuhr sie auf. Aber sie erkannte lediglich schemenhaft Wände, die von dem Schein eines Feuers beschienen wurden. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wie sie hier her gekommen war. Aber ihre letzte Erinnerung stammte aus der Wüste. Dann war sie kurz in New Hope gewesen. Aber auf eine andere Art und Weise. Als sei sie dort, aber würde die Dinge aus der Ferne betrachten. Der Mann, den sie in der Wüste gesehen hatte, hockte sich neben sie.

„Wie geht es dir?“

Joye zuckte zurück, rutschte auf dem felsigen Untergrund zurück. Ihr Herz hämmerte in der Brust. Schweiß trat ihr auf die Stirn. Sie musterte den Mann mit den Haaren im Gesicht. War das Brick? Sie fragte sich, was er mit ihr anstellen wollte. Durch ihren Brustkorb jagte ein stechender Schmerz. Sie atmete hastig ein und aus, bis das Stechen schwächer wurde. Der Mann schaute sie ruhig an, wartete ab. Was wollte er? Konnte sie ihm trauen? Joye zwang sich zur Ruhe. Mit einem tiefen Ausatmen, sagte sie: „Besser.“ Und spürte wie trocken ihre Kehle war.

„Hast du auch diese Bilder gehabt?“

Sie nickte. Es war komisch gewesen. Sie war in New Hope gewesen, hatte all die Menschen wieder getroffen, mit denen sie arbeitete. Aber es war ihr so fern vorgekommen, als sei sie gefangen unter einer Glasscheibe. Und dann war ihr kalt geworden. Ihr Leib zitterte. Die Kälte hatte sich von Innen in ihr ausgebreitet.

Ein Moment lang erfüllte Stille die Dunkelheit. Joye musterte den Mann, der sie an Brick erinnerte, eindringlich. Wenn er wirklich Brick war, dann sah anders aus, als noch zu der Zeit, wie sie sich in New Hope gekannt hatten. Falten zogen über sein Gesicht. Haare wuchsen um das Kinn und den Mund. Auch die Augen wirkten anders. Wer war dieser Mann?

Er schien ihre Gedanken zu erraten.

„Ich sehe vielleicht etwas anders aus, aber ich bin Brick.“

Joye nickte stumm, als er sie anlächelte.

„Wir waren zusammen in der Ausbildung.“, fuhr er fort. „Und haben zusammen in der Verwaltung in New Hope gearbeitet.“

Joye fixierte die Augen ihres Gegenübers. Trotz des Halbdunkels glaubte sie, die Konturen des Mannes zu erkennen, den sie seit der Ausbildung kannte. Log er? Spielte er ein Spiel mit ihr? War sie vielleicht doch an einem Ort, an dem man die Kranken behandelte? Da sie keine Antwort auf die Frage finden konnte, schwieg sie, ließ ihren Blick über die schiefen Wände wandern. Es wirkte alles so schief. Sie konnte sich schwer vorstellen, dass dies ein Raum in New Hope war. Oder hatten sich spitzfindige Designer einen Raum ausgedacht, der den ersten Unterkünften der Miners nachempfunden war? War sie hier vielleicht an dem Ort, zu dem Kranke gebracht wurden? Joye merkte, wie sich ihr Atem beschleunigte.

„Wo sind wir?“, fragte sie schließlich.

Er reichte ihr eine Schale mit Flüssigkeit. Sie schaute ihn misstrauisch an, nahm aber die Schale, als er ihr aufmunternd zunickte.

„In eine Höhle in den Bergen.“

Sie trank den ersten Schluck vorsichtig, dann den Rest gierig in einem Zug. Brick erhob sich, und ging zu der Feuerstelle an der Felswand. Er nahm etwas und legte es in die Flammen. Zufrieden betrachtete er das Tanzen der Flammen. Dann drehte er ihr den Kopf wieder zu.

„Ich habe den Ort gefunden, nachdem ich alleine die Wüste geirrt bin. Alle haben gedacht, dass ich nach dem Unfall tot wäre.“

Ein Moment knackten die Flammen in der Höhle. Sie blickten sich an. Unsicher. Sie schaute zu Boden und erwiderte: „Du hattest einen Unfall? Ich habe nur mitbekommen, dass du ausgetauscht wurdest. Ich dachte, man hätte dich ersetzt.“

Joye schaute wieder zu ihm herüber, und fragte sich, wie er reagieren würde. Wütend? Enttäuscht? Aber er sagte nichts, sondern schaute nur in den Topf auf der Feuerstelle, in dem er rührte. Sie schaute sich um und fühlte sich schutzlos.

„Brick?“

„Joye?“

„Warum sind wir hier? Hat man uns ausgestoßen, weil wir krank wurden?“

Er schüttelte den Kopf, seufzte und trat wieder zu ihr. Joye rückte instinktiv ein wenig nach hinten.

„Nein. Wir gehören nicht mehr zu denen.“ Er ging vor ihr in die Hocke, machte eine Pause und blickte sie fest an. „Joye, ich möchte dich bitten, mich nicht mehr Brick zu nennen. Ich habe beschlossen, dass mein Name Noone ist.“

Joye schaute verwundert, sagte aber nichts. Er reichte ihr einen gefüllten Teller. Joye aß die merkwürdigste Mahlzeit ihres Lebens. Manche Teile des Essens waren weicher, andere härter. In einer Flüssigkeit schwamm runde Dinge.

Noone lächelte. „Ich musste mich auch erst daran gewöhnen. Auf der Dose steht Bohnensuppe. Was auch immer dieses Zeug ist. Aber ich finde, es schmeckt verdammt gut.“

Nach dem Essen wurde Joye müde. Ihre Welt verschwamm. Jetzt würden die Bilder wiederkommen. Diese komischen Bilder, die so real waren. Anders als die Dunkelheit, die sie, wenn sie in New Hope schlief, einhüllte.

 

XIX

 

Joye schlief unruhig. Undeutliche Worte rannen aus ihrem Mund. Gestern Nacht hatte er versucht etwas von dem Kauderwelsch zu verstehen. Aber Joye nuschelte nur vor sich hin. Manchmal war sie erwacht, hatte Grunzlaute von sich gegeben. Noone setzte sich neben das Feuer. Er konnte sich gut vorstellen, was in Joyes Kopf gerade geschah. Er selbst hatte diese Verwirrung und Orientierungslosigkeit empfunden, dieses sich Auflösen in der Gegenwart und das Verneinen der Vergangenheit. Er griff zum Kochtopf, nahm sich noch etwas von dem, was sich Bohnensuppe nannte und aß. Im Laufe der Wochen hatte er sich an das neue, salzige Essen gewohnt. Zu Anfang hatte er Durchfall bekommen. Aber das war nach ein paar Tagen vorbei gewesen. Was würde Joye sagen, wenn er ihr davon berichtete, was er getan hatte? Würde sie sauer werden? Wütend? Oder würde sie, wie er, dankbar sein, einen neuen, besseren Ort gefunden zu haben? Einfacher wäre es, wenn sie einfach wieder zurückkönnte. Aber sie war krank geworden. Das Schlimmste, was jemandem in New Hope passieren konnte. Würde man sie wieder aufnehmen, wieder arbeiten lassen?

Noone stellte den Teller beiseite und machte die gut zwanzig Schritte hinaus ins Freie. Langsam ging die Sonne auf. Die Hügelkuppen zeichneten sich in der aufgehenden Sonne ab. Die Hitze würde unerträglich sein ohne Klimaanlagen, aber in der Höhle, die er gefunden hatte, würde es angenehm kühl bleiben. Er nahm einen Pfad und steuerte ein wenig abwärts, entkleidete sich und setzte sich in einen plätschernden Bach. Wie gut das tat! Die Anstrengung, als er Joye vor zwei Tagen hier hinauf geschleppt hatte, fielen ein Stück weit von ihm ab. Alles wäre einfacher gewesen, wenn er die Verletzung am Bein nicht gehabt hätte. Aber so hatte er sie hinkend hinter sich her geschliffen, die ganzen Hügelkuppen hinauf, hatte immer wieder Pausen machen mussten, bis er schließlich in Mitten der Nacht das Lager erreicht hatte. Die Muskeln entspannten sich, als er sich im Wasser Hin und Her bewegte. Auch die Schmerzen im Bein ließen nach. Als er seinen Rücken gegen das kleine Ufer lehnte, glitt sein Blick glitt über die Hügelkuppen. Hier hatten sich die Pflanzen gegen das Wasteland durchgesetzt. Gräser und Nadelbäume reckten sich in die Höhe. Noone hatte auch kleine Tiere gesehen, die durch die Luft flogen oder die Bäume entlang krabbelten. Eigentlich waren sie überall. Er hatte nichts sehen können, was sie gefährlich machte. In New Hope hatte man sie immer vor Insekten gewarnt und alles unternommen, um die kleinen Lebewesen außerhalb der Mauern zu halten. Wenn man Insekten sah, war man in New Hope angewiesen, die gesamte Wohneinheit reinigen zu lassen.

Ein Windzug setzte ein und Noone wurde aus seinen Gedanken gerissen. Ihm fiel Joye wieder ein. Vielleicht war sie wieder aufgewacht. Er würde in ihren Wachphasen unbedingt bei ihr sein müssen. Entschlossen kroch er aus dem Wasser und trocknete sich ab. Bisher war eigentlich alles recht gut verlaufen, auch wenn sein Plan nur im Ergebnis gut funktioniert hatte. Alles andere war ein Desaster gewesen. Unauffällig hatte er Joye aus der Stadt bringen wollen, wenn sie bereit dazu gewesen wäre. Aber er hatte den Zeitpunkt verpasst und sie war durchgedreht und wäre beinahe eingefangen worden. Noone schüttelte Gedanken versunken den Kopf. Das hätte nicht passieren dürfen. Wenn er sich noch einmal entschließen sollte Leute aus der Stadt holen, durfte so etwas nicht noch einmal passieren.

Als Noone wieder in die Höhle trat, redete Joye wieder unverständlich im Schlaf. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Er beobachtete sie eine Weile, ihre Muskelzuckungen, manchmal auch ihre kurzen Krämpfe. Jetzt hieß es abwarten. Wenn sich alles so verhielt wie bei ihm, würde es Joye nach vier bis fünf Tagen besser gehen.

 

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